Walkueren
Ursache war, dass sie, Guðrún, sich verändert hatte. Und er nicht. Sie hatte sich von ihm entfernt. Sich aus ihrem gemeinsamen Heim in ihre eigene Welt zurückgezogen. Sich in ihrem Polizeispiel verwirklicht. So war es, wenn man die Sache emotionslos und rational betrachtete.
Natürlich wusste Bergþór, dass es keinen Sinn hatte, die Sache mit Guðrún emotionslos und rational zu besprechen, auch wenn er hieb- und stichfeste Argumente über Ursache und Wirkung auf den Tisch legen und ihr beweisen könnte, dass die Veränderung in ihrem Leben die Ursache dafür war, dass er sein Verhalten geändert hatte.
Es war zwecklos, das Thema mit Vernunft und Logik anzugehen. Er war ein Mann. Sie war eine Frau. Er musste verantwortlich handeln und die Schuld auf sich nehmen. Die einzige Möglichkeit, die Sache beizulegen, war, sie um Verzeihung zu bitten, sich zu entschuldigen, seinen Fehler einzugestehen und sie zu beschwören, die Kinder davor zu schützen, dass alles auf den Kopf gestellt, die Familie aufgelöst und die gescheiterte Ehe zum Dauergesprächsthema im Krankenhaus werden würde. Das wäre höchst ungut: Es hätte einen schlechten Einfluss auf die unschuldigen Kinder und nicht zuletzt auf ihre beiden Jobs.
Diese Argumentation würde sie schon verstehen. Familie. Kinder – und sogar dieser Job, der ihr offenbar so wichtig war.
Als Bergþór abends nach Hause kam, hatte er sich im Geiste perfekt auf das Gespräch über ihre Zukunft vorbereitet. Er konnte guten Gewissens sagen, dass er Guðrún liebte; sie war die Frau seines Lebens, Ásdís war lediglich ein Zeitvertreib am Arbeitsplatz. Es war ihm nie in den Sinn gekommen, dass ihr Verhältnis mehr sein könnte als das Spiel zweier Arbeitskollegen mit dem Feuer. Ein Zeitvertreib.
Er war bereit, alle Schuld auf sich zu nehmen. Er war bereit, sich vor Guðrún zu erniedrigen und um Verzeihung zu bitten.
Irgendwie überstanden sie das Abendessen, und als er die Mädchen ins Bett gebracht hatte, war Guðrún schon im Schlafzimmer verschwunden und hatte sich hingelegt. Er klopfte an die Tür und schaute hinein.
»Also«, fing er an. »Ich möchte dich um Verzeihung bitten und dir sagen, dass es mir wirklich leidtut. Aber es ist keine Lösung, die Probleme zu verdrängen. Wir müssen uns hinsetzen und sie besprechen.«
»Welche Probleme?«, murmelte Guðrún und starrte den Mann, der sich ihr in friedlicher Absicht nähern wollte, wütend an.
»Unsere Probleme«, sagte Bergþór. »Meine Probleme und deine Probleme. Wir müssen miteinander reden.«
»Im Augenblick gibt es nichts, was sich unsere Probleme nennt. Du kannst deine Probleme gern mit der Silikonschlampe besprechen. Meine Probleme gehen dich nichts an.«
»Aber Liebling«, schmeichelte Bergþór. »Ich kann ja gut verstehen, dass du sauer bist, aber mit Wut löst man keine Probleme. Wir müssen jetzt vernünftig sein und miteinander reden.«
»Weißt du«, erwiderte sie, »es kann gut sein, dass ich irgendwann dazu gezwungen sein werde, mit dir zu reden. Aber jetzt habe ich keine Lust dazu. Ich habe nur eine Bitte an dich, und wenn du es nicht für mich tun willst, dann tu es bitte für die Kinder.«
»Natürlich«, antwortete er. »Natürlich bin ich bereit, alles für dich und die Kinder zu tun.«
»Danke«, sagte Guðrún. »Dann bitte ich dich hiermit: Halt’s Maul, verpiss dich und lass mich in Ruhe!«
Wo hatte seine kultivierte Frau nur diese Ausdrucksweise her?
Natürlich von der Polizei.
32
Ladyburn
Ein zielstrebiger Brandstifter sollte sein Hauptaugenmerk darauf richten, nicht schon beim Zündeln erwischt zu werden. Das wusste Konditormeister Guttormur Nielsson sehr gut, er war aber dennoch weit davon entfernt, zielstrebig zu sein. Gewiss hatte er die Tat im Geis te schon viele Male vorbereitet und durchgeführt. Aber als es schließlich so weit war, hatte er so viel Alkohol intus – genauer gesagt, einen der besten Malt Whiskys, die weltweit erhältlich sind, Saint Magdalene (neunzehn Jahre alt, 1979/1988) von einer Brennerei in den schottischen Lowlands –, dass Vorsicht nicht den größten Raum in seinem Kopf einnahm, sondern der Gedanke, dass jetzt, genau jetzt, der richtige Zeitpunkt sei, die Tat durchzuführen. Er hatte die Saint-Magdalene-Flasche mittags geöffnet, und als er sie leer getrunken hatte, war es elf Uhr abends. Mit einer entschlossenen Bewegung stellte er das Glas ab, ging ins Schlafzimmer und zog sich nackt aus. Er war zwar nicht volltrunken, aber eine
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