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Walkueren

Walkueren

Titel: Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Þráinn Bertelsson
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viele steinige Hochlandpisten zu überfordern.«
    Víkingur kannte diesen Sermon schon – die schale Verteidigungsrede einer künftigen Übergewichtspatientin. Es handelte sich um ein unverkennbares Zeichen nagender Gewissensbisse: die Befürchtung von Leuten, die tief im Inneren genau wissen, dass jeder Bissen im großen Kontobuch des Lebens verzeichnet wird, und wenn das Konto überzogen ist, wird es gesperrt – endgültig und ohne Vorwarnung.
    »Ja«, sagte er nur.
    »War nur Spaß«, sagte Elín und lächelte. »Schließlich wissen alle, dass du jeden Morgen ins Fitnessstudio gehst und in Topform bist.«
    »Nein«, sagte Víkingur.
    »Gehst du nicht mehr ins Studio?«
    »Doch. Aber es wissen nicht alle, dass ich ins Fitnessstudio gehe. Das wissen nur meine Freunde und Leute, die es darauf angelegt haben, es herauszufinden.«
    »Ach, so ein Blödsinn. Du weißt genauso gut wie ich, dass in unserem kleinen Land alle alles über alle wissen. Es ist wahnsinnig schwierig, Geheimnisse zu haben.«
    »Ich kann mich nicht entsinnen, besondere Geheimnisse zu haben«, sagte Víkingur. »Aber so wie andere auch habe ich ein Privatleben und private Interessen, die nur mich und sonst niemanden etwas angehen.«
    »Aber du vergisst eins«, erwiderte Elín und hatte aufgehört zu lächeln. »Du vergisst, dass du eine Vertrauensposition beim Staat innehast. Du hast Zugang zu vertraulichsten Staatsinformationen. Ebenso hat der Staat Zugang zu diversen Informationen über dich, die normalerweise privat wären. Das ist nur fair.«
    »Da bin ich anderer Meinung«, widersprach Víkingur.
    »Das ändert nichts daran«, sagte Elín. »Die Dinge sind nun mal so, ob alle derselben Meinung sind oder nicht.«
    Víkingur dachte nach. Das Gespräch entwickelte sich in eine andere Richtung als beabsichtigt, und es hatte keinen Zweck, sich mit der Landespolizeichefin über der Suppe zu streiten. Elín schien etwas Ähnliches zu denken.
    Sie unterbrach das Schweigen zuerst.
    »Andererseits kann ich deine Irritation darüber, dass der Justizminister mit deinem Chef über deinen Medikamentenkonsum gesprochen hat, gut verstehen. Es ist für diese Sache völlig unerheblich, ob du irgendwelche Medikamente einnimmst. Unter organisatorischen Gesichtspunkten schien es einfach vernünftiger, die Sicherheitsabteilung meiner Behörde zu unterstellen. Es war ziemlich ungeschickt vom Justizminister, das, was du als Privatangelegenheit bezeichnest, als Vorwand zu benutzen.«
    »Bitte versteh mich nicht falsch«, sagte Víkingur. »Ich bin in vielerlei Hinsicht froh, dass dieser Kelch an mir vorübergegangen ist. Ich habe erhebliche Bedenken bezüglich dieser Sicherheitsabteilung.«
    »›Dieser Kelch ist an mir vorübergegangen‹«, wiederholte Elín. »Das könnt ihr Theologen ja wirklich gut. Solche Redewendungen lernt man im Jurastudium nicht.«
    Sofort kam Víkingur der Gedanke, die Landespolizeichefin wolle andeuten, dass er noch nicht einmal die richtige Ausbildung habe. Aber ihr verschmitztes Lächeln wies nicht in diese Richtung.
    »Ich war froh, weil ich diese Heimlichtuerei über die geplante Gründung einer Sicherheitsabteilung ehrlich gesagt sehr unangenehm fand.«
    »Hast du nicht eben noch gesagt, es müssten nicht alle über alles Bescheid wissen?«
    »Doch, aber wir brauchen gesetzliche Grundlagen für solche Aktivitäten. Die Polizei soll dafür sorgen, dass die Gesetze eingehalten werden, und nicht austesten, wie dehnbar sie sind.«
    »Was soll gesetzeswidrig daran sein, wenn ein unabhängiger Staat Maßnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit ergreift?«, fragte Elín. »Firmen und Einzelpersonen machen das mit Einbruchsicherungssystemen, und da ist es doch auch okay.«
    »Der Justizminister möchte doch schon lange eine isländische Armee aufbauen«, sagte Víkingur. »Und wegen dieser merkwürdigen Idee wurde er schon oft verlacht. Aber soweit ich das beurteilen kann, gelingt es ihm jetzt tatsächlich – mit tatkräftiger Unterstützung des Außenministers. Junge Männer werden vom Staat zur militärischen Ausbildung nach Norwegen geschickt. Diese Ausbildung ist angeblich notwendig, damit die Jungs den Frieden in Afghanistan sichern können. Wenn die zurückkommen, sind sie voll ausgebildete Soldaten, auch wenn wir sie Friedenstruppen nennen. Da beschleicht einen doch der Verdacht, dass dieselbe Denkweise hinter der neuen Sicherheitsabteilung steckt.«
    »Welche Denkweise?«, fragte Elín.
    »Die Denkweise, von der Notwendigkeit einer

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