Wall Street Blues
haben wollen, und jetzt kannst du einen großen, schönen dunklen Nerz bekommen.« Sie redete unangenehm süß- »Wir verdienen es. Wir arbeiten sehr hart. Es ist nur gerecht.« Als sie Wetzons Zorn sah, wurde ihr Gesicht hart. »Stell dich nicht so an, du wußtest, was ich vorhatte, als ich den Schlüssel nachmachen ließ, also tu jetzt nicht so fromm.«
»Ich möchte das Geld nicht, Smith. Es ist schmutzig. Es ist nicht die Art und Weise, wie ich lebe, und so möchte ich auch nicht leben.«
»Geld ist Geld. Du wirst deine Meinung noch ändern.«
»Nein, bestimmt nicht. Wo hast du es liegen? Hoffentlich nicht im Büro?«
»Nein, ich habe es zu Hause. Ich hebe deinen Anteil für dich auf. Du wirst noch anders darüber denken. Das gehört zum Geschäftemachen. Eine Menge Bargeld wechselt ständig die Hand. Ich sehe nicht ein, warum wir nicht etwas davon abbekommen sollen. Du bist so naiv, Wetzon. Und selbstgefällig. Werde erwachsen. Jeder hat seinen Preis. Auch du.«
Wetzon spürte eine leichte Übelkeit. Sie schob den Rest des Toasts weg. »Ich bin müde«, sagte sie, »und ich habe Angst.«
»Aber du brauchst keine Angst vor Jake zu haben. Verstehst du nicht, daß es keinen Grund für Jake gäbe, dich umzubringen? Er hat den Schlüssel schon. Aber ich glaube, irgendein anderer hat Angst, daß du vielleicht etwas weißt.« Smith stand auf. »Ich muß vor Leon und Mark zu Hause sein.« Sie drückte Wetzons Hand zärtlich. »Ich möchte, daß du mir etwas versprichst.«
»Was?«
»Ich möchte, daß du Silvestri anrufst und ihm von dem Obdachlosen berichtest. Vielleicht steckt nichts dahinter, aber laß ihn das entscheiden. Er weiß mehr über diesen Fall als wir.«
»Ach, Smith...« Wetzon glaubte nicht, daß Silvestri zu diesem Zeitpunkt mehr über den Fall wußte als sie. Wie sollte er die Stücke zusammensetzen können?
»Versprich es mir.«
Wetzon sah Smith in die Augen. Sie las in ihnen ehrliche Sorge , und Wetzon akzeptierte es. »Okay, ich tu’s.«
»Jetzt«, beharrte Smith. »Sobald ich weg bin.«
»Okay.«
»Und schließe die Tür hinter mir ab.«
»Okay.« Nur geh endlich.
Wetzon goß den Rest Kaffee in ihren Becher und schaltete die Heizplatte aus. Sie hatte vergessen, Smith von Howie Min-ton zu berichten. Und sie hatte die Seidenkrawatte mit den Moosröschen vergessen. Oder vielleicht war sie zu feige gewesen, es zu erwähnen. Sie hatte einfach allein sein wollen, so schnell wie möglich. Sie nahm den Kaffeebecher ins Schlafzimmer mit und stellte ihn auf den alten Waschtisch, der ihr als Nachttisch diente. Sie öffnete die Schranktür und starrte auf ihre zerfetzte Jacke.
Genug. Wo hatte sie Silvestris Karte hingelegt? Sie fand sie nie, wenn sie sie brauchte. Verflixt. Sie nahm das Telefon ab, fragte die Auskunft nach der Telefonnummer des Reviers und drückte die Tasten.
»Siebzehntes Revier, Dombrowsky.«
»Detective Silvestri«, sagte sie, dann wartete sie, daß sie weiterverbunden wurde.
»Holländer.« Im Hintergrund war Gelächter zu hören.
»Detective Silvestri, bitte.«
»Er ist im Moment nicht hier. Kann ich etwas für Sie tun?«
»Sagen Sie bitte, daß Leslie Wetzon angerufen hat.«
Wetzon legte auf. Gut, sie hatte getan, was sie versprochen hatte. Sie begann, das Bett zu machen. Hielt inne. Stieß einen kleinen Schrei aus, legte sich ins Bett und zog die Decke über den Kopf. Sie hatte getan, was sie versprochen hatte. Sie tat immer, was sie versprach. Sie tat immer »das Richtige«.
Sie dachte über das Geld nach, das Smith für den Schlüssel genommen hatte. Es war falsch. Es war schmutzig. Und es war unmoralisch. Wieso konnte Smith das nicht begreifen? Oder begriff sie es und kümmerte sich einfach nicht darum?
Wetzon hatte bis vor kurzem gedacht, daß ihre Partnerschaft gut war, gut funktionierte und daß sie gut zusammenpaßten, aber jetzt war sie nicht mehr so sicher. Sie fühlte sich bedrängt. Durch die Morde. Durch Smith’ sonderbares Benehmen. Durch ihre eigene Sexualität. Sie ging mit Rick ins Bett, aber sie sehnte sich nach Silvestri.
Sie streckte den Arm aus, um das Radio einzuschalten, blieb mit einem Finger an der Kante des Waschtischs hängen und riß sich einen Nagel ein. Verdammt. Sie setzte sich, zog die Schublade auf und kramte nach der Papierfeile. Sie war nicht da. Verdammt, wo konnte sie sein? Sie gab es auf und beugte sich vor. Aha, da war sie, auf der anderen Seite der Schublade. Carlos mußte auf den Gedanken gekommen sein, die Ansammlung
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