Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wall Street Blues

Wall Street Blues

Titel: Wall Street Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
Vom Netzwerk:
der Bushaltestelle.« Sie machte eine Pause und betrachtete ihn. Da er keine Reaktion zeigte, fuhr sie fort. »Ich wurde aus dem Weg geschubst oder geschleudert, gerade eine Sekunde, bevor es passierte. Smith meint, der Täter habe es auf mich abgesehen gehabt.«
    »Wie kommen Sie darauf, daß es etwas mit Ihnen zu tun hatte?«
    »Ich glaube es ja gar nicht. Ich bin wohl nur in die Schußlinie geraten. Zufall. Aber warum bringt jemand einen Obdachlosen um?« Schwanensee hüllte sie in ein abschließendes Crescendo.
    »Wir befinden uns in den achtziger Jahren und in New York City. Ja, warum«, sagte Silvestri unbewegt. »Wieso glaubt Miss Smith, daß der Mörder hinter Ihnen her war?« Er stand auf und betrachtete die Bücher, die sie auf dem Beistelltisch gestapelt hatte, indem er eins nach dem andern in die Hand nahm.
    »Wegen meiner Jacke«, sagte sie. »Warten Sie. Ich zeige sie Ihnen.« Sie sprang auf, ging ins Schlafzimmer, holte die Jacke aus dem Schrank und brachte sie ihm.
    Er nahm die Jacke am Kragen und ließ sie herunterhängen, während er sie untersuchte. Sie sah noch schlimmer aus als in ihrer Erinnerung. Das zweite Kostüm, das sie innerhalb von zwei Tagen ruiniert hatte, dachte sie bedauernd. Sie würde sich völlig neu einkleiden müssen, wenn das so weiter ginge.
    »Ich möchte sie gern mitnehmen«, sagte er.
    »Bitte. Ich kann sie sowieso nicht tragen, nicht einmal ausbessern lassen.«
    Er klemmte den kläglichen Rest ihrer dunkelgrauen Kostümjacke unter den Arm, und es erfüllte sie mit einem kurzen Hochgefühl. Masochist, dachte sie. Hör auf damit.
    »Warum wollte Mildred Gleason Sie sehen?« fragte Silvestri.
    »Sie wollte wissen, was Barry mir sagte. Sie sagte, Barry habe für sie gearbeitet, er habe sie unmittelbar vor seiner Ermordung angerufen. Während er ermordet wurde.« Sie zögerte. Das war die Gelegenheit, ihm alles zu sagen. »Silvestri, ich möchte...«
    Silvestris Piepser meldete sich.
    Er griff in seine Brusttasche und schaltete den Piepser ab.
    »Sagte sie sonst noch was?«
    »Ja, daß Barry etwas von Bändern gesagt habe.«
    »Darf ich Ihr Telefon benutzen?« Ihr war nicht aufgefallen, wie groß er war. Oder möglicherweise, wie klein sie war.
    »Ja, in dem anderen Zimmer, wo ich trainiere.«
    Er rührte sich nicht. »Ist das alles?«
    »Ja, das ist alles. Dann kam Jake herein, und sie fingen an, sich anzuschreien, und ich ging weg.« Sie führte ihn ins Eßzimmer und wartete, während er anrief.
    »Silvestri«, meldete er sich. Dann hörte er zu. »Bin schon unterwegs.« Er legte auf.
    »Was ist mit dem Schlüssel?« fragte sie. »Haben Sie gefunden, wozu er paßt?«
    Er zuckte die Achseln. »Es ist ein Standardschlüssel, wie er für Arzneischränke in Krankenhäusern und anderswo benutzt wird. Haben Sie dafür eine Erklärung?«
    »Nein. Aber Barry muß mir etwas gesagt haben, an das ich mich nicht erinnere, etwas, das ich nicht zusammenbringe. Was könnte Barry mit einem Schlüssel für einen Krankenhausschrank zu tun haben, und warum sollte er ihn mir geben?« Sie hielt nachdenklich inne. »Wurde er wegen des Schlüssels ermordet?« Sie runzelte die Stirn und drückte beide Hände an Jen Kopf. »Es ist nicht logisch. Nichts an der ganzen Sache ist logisch.«
    »Wie kommen Sie darauf, daß Mord logisch ist?« sagte Silvestri.

S ie fuhr mit Silvestri im Aufzug nach unten, um die Post zu holen.
    »Ich hätte fast vergessen...« begann sie und fragte sich, warum ihr das ständig passierte. Sie hatte ihm etwas zu sagen, und dann war sie plötzlich woanders und verlor den Faden. »Ich hätte fast vergessen«, sagte sie noch einmal und kam sich benebelt und dumm vor.
    Silvestri sah schuldbewußt aus, als hätte sie ihn überführt. Er hatte sich an die Rückwand des Aufzugs gelehnt, den Blick auf das Gitter der Zwischendecke gerichtet, und leise vor sich hin gepfiffen. Er wandte sich ihr zu. Seine Augen waren wieder sehr tief türkis.
    »Ja?«
    »Entschuldigung«, sagte sie mit klopfendem Herzen und schüttelte verwirrt den Kopf, daß der Pferdeschwanz schaukelte. »Ich weiß nicht, wo ich meine Gedanken habe.« Sie atmete flach und hektisch.
    Keiner schien zunächst zu merken, daß die Aufzugtür sich geöffnet hatte und sie in der Halle waren.
    »Sie wollten mir etwas sagen«, meinte er und nahm ihren Arm. Sie spürte einen kleinen Stich, wo er sie berührte, der sich als sonderbares Prickeln durch den ganzen Körper ausbreitete, und als sie den Kopf hob, sah sie, daß auch er

Weitere Kostenlose Bücher