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Wall Street Blues

Wall Street Blues

Titel: Wall Street Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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ebenbürtig revanchierten. Die Szene wurde unschön. Eine lärmende Menge versammelte sich, nicht abgeneigt, sich in den Tumult einzumischen.
    Wetzon dachte, daß sie eigentlich jetzt hinübergehen könnte, und wollte gerade auf die Straße treten, als sie einen Fahrradboten im glänzenden schwarzen Overall mit einem blauen Streifen an der Seite auf einem schlanken Rennrad die Second Avenue herunterrasen und im Slalom um Autos und Menschen fahren sah. Sie wartete. Eine Krankenwagensirene heulte. Fahrzeuge quetschten sich nach rechts und links, damit die Ambulanz durchkam. Die Gestalt auf dem Fahrrad schien jetzt mit der Ambulanz um die Wette zu fahren. Wetzon stand an der Bürgersteigkante, um die Ambulanz vorbeizulassen. In diesem Augenblick spürte sie eine Hand im Kreuz, einen plötzlichen starken Druck, und sie taumelte vorwärts. Wütend und von der Sonne geblendet, wollte sie sich umdrehen und wurde noch einmal gestoßen, fester, direkt in die Bahn der Ambulanz.
    Wetzon taumelte, fmg sich mit knapper Not, während die Ambulanz scharf ausscherte. Und als sie zurückwich, wurde sie von dem Boten auf dem Rennrad gestreift. Er fluchte wütend, so nahe, daß sie seine Wärme und den Sog hinter ihm spürte. Sie stand zitternd auf der Straße.
    »Sie, das war knapp«, sagte jemand. Ein Mann.
    »Ist Ihnen was passiert?« fragte eine plumpe kleine Frau mit einer Safo-Tasche. »Diese Fahrräder! Die müßte man verbieten!«
    Wetzon nickte, unfähig zu sprechen. Sie berührte ihre Stirn. Entweder wurde sie anfällig für Unfälle oder... Schlagartig erinnerte sie sich an den absichtlichen Stoß in den Rücken und schauderte.
    Sie suchte die Menge hinter sich ab, aber ihr fiel kein bekanntes Gesicht im Gedränge der Schaulustigen auf.
    Sie überquerte vorsichtig die verstopfte Straße, machte einen Bogen um die wütenden Bürger am Müllwagen und ging die 49. Street zum Büro hinunter.
    Ein Mann stand vor dem Sandsteinhaus. Er trug eine Sonnenbrille. Wetzon stand beinahe das Herz still. Sie umklammerte das schwarz gestrichene Eisengitter des Zauns vor dem Haus zwei Türen von ihrem entfernt.
    Es war Barry Stark.
    Er entdeckte sie und ging auf sie zu. Nein, es war nicht Barry. Sie atmete wieder. Er sah Barry allerdings ziemlich ähnlich, wenigstens im ersten Moment. Er war nicht so groß, und sein Haar war lang, aber nicht lockig wie Barrys, und in Wirklichkeit sah er ganz und gar nicht wie Barry aus. Was war nur mit ihr los?
    Als er vor ihr stand, fragte er: »Wetzon?«
    Er hatte einen großen Kopf und ein eckiges Kinn, und er lächelte sie zwar freundlich an, nahm aber die Sonnenbrille, es war eine verspiegelte, nicht ab, und sie konnte seine Augen nicht sehen, nur ihr eigenes Spiegelbild auf den Gläsern.
    »Ich weiß leider...« begann sie, indem sie etwas zurückwich.
    »Ich bin Georgie Travers.« Er streckte seine Hand aus, und sie machte einen Schritt auf ihn zu und drückte sie. Sie wunderte sich, wie seltsam klein seine Hand war. »Wollte Sie nicht erschrecken. Sprach nur gerade mit Ihrer Partnerin. Ganz schöner Drachen. Wollte mir nicht sagen, wo Sie sind oder ob Sie herkämen.« Er lächelte, indem er die Lippen zu einem schmalen Spalt öffnete. »Ich habe Sie zu Hause angerufen, aber nur Ihren Apparat erreicht...«
    »Barry...«
    »Genau.« Er steckte die Hände in die Taschen. Er trug einen gebrochen weißen handgestrickten Pullover und eine ausländisch aussehende Hose mit Bügelfalten, die zu den Knöcheln hin enger wurde. Er hatte die Muskeln eines Gewichthebers, wie sie durch den Pullover sehen konnte. An seinen Füßen hatte er ausgeschnittene braune Ledersandalen und keine Socken. Er sah wie ein italienischer Filmstar aus... oder wie ein Gigolo, dachte sie. »Ja... ich hab’ davon gehört. Können wir irgendwohin gehen und miteinander reden?«
    »Ich kann jetzt nicht. Ich habe Termine, und die Polizei...« Sie brach ab. Es ging ihn nichts an.
    »Und später? Es ist wichtig.«
    »Ich weiß nicht, Georgie, ich kann Ihnen nicht mehr sagen, als in den Zeitungen steht.«
    »Er war mein bester Freund, müssen Sie wissen.« Georgie kam einen Schritt näher. Sie erinnerte sich an seinen Ruf in der Wall Street, an die Ereignisse, die ihn aus dem Geschäft gedrängt hatten.
    »Ich weiß, Georgie, ich weiß, und es tut mir leid. Ich konnte ihn gut leiden. Es tut mir wirklich leid.«
    »Bitte, Wetzon. Es wird nicht lang dauern. Er hat Ihnen vertraut. Auch ich vertraue Ihnen.« In seiner Stimme klang Vertraulichkeit

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