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Wall Street Blues

Wall Street Blues

Titel: Wall Street Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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Hocker an. Er zog den anderen für sich heran, setzte sich und beobachtete sie. »Ich habe dir ein Schokocroissant mitgebracht«, sagte er bittend.
    Zur Bestechung. Als ob sie das nicht wüßte. Der köstliche Duft der Schokolade und Butter war überwältigend. Der Schlawiner. »Das ist Bestechung, du Schlawiner«, sagte sie und küßte ihn auf seine glatte dunkle Wange.
    »Was denn sonst, Schatz.«
    Das Telefon läutete. Sie hörten beide aufmerksam zu.
    »Miss Wetzon, hier ist Carpenter, Walt Carpenter, vom Wall Street Journal. Ich möchte gern mit Ihnen sprechen, wenn es Ihnen paßt.« Es war eine sehr höfliche, angenehme Stimme, die ganz auf der routinierten Linie des Journals lag.
    »Mmm«, rief Carlos und leckte sich die Lippen. »Du bist eine absolute Berühmtheit. Du Glücksfee.«
    Carlos nannte sie eine Fee, weil sie sein Leben völlig verändert hatte, seit sie sich kannten.
    »Verdammt tolle Art, berühmt zu werden«, beklagte sie sich. »Ich wär’s lieber mit Gower geworden.« Sie lachten beide. Es war ihr bitterer, makabrer Witz, weil Gower Champion ihr Choreograph gewesen war, und jetzt war Gower tot. Er war während der Inszenierung von Forty-second Street gestorben, und viele Leute in der Theatergemeinde meinten, daß David Merrick jetzt auftrat, als seien Regie und Choreographie sein, David Merricks, Werk. »Ich muß mich anziehen und ins Büro gehen«, sagte sie und umarmte Carlos kurz.
    »Och, Schatz, erzähl mir noch was.« Er goß Kaffee in eine Tasse und schob sie und das Schokocroissant über die Platte zu ihr hin. Sie hatte einen Riesenhunger, und das Croissant sah verlockend aus.
    »Ich weiß nicht mehr, aber ich bleibe dran. Ich muß heute mittag bei dem zuständigen Detective eine Aussage machen. Das ist gut, Carlos, du Teufel.« Sie verputzte das Croissant und den Kaffee.
    »Was für eine Freude, Detectives, Aussagen. Herrlich.« Carlos sprang vom Hocker und zappelte zur Musik. »Merke dir alles, und ich meine alles, damit du mir berichten kannst.«
    Sie zog sich mit Bedacht an. Dunkelblaues Gabardinekostüm, passend zu ihren Blessuren, und eine weiße Seidenbluse. Sie steckte die Kameenbrosche von ihrer Mutter an das Bündchen der Bluse und hängte, vielleicht ein wenig herausfordernd, große goldene Ringe an ihre Ohren. Sie hatte den Rock des grauen Kostüms ruiniert, als sie damit unter die Dusche gegangen war. Vielleicht konnte die Reinigung ihn retten.
    Sie hörte Carlos in der Küche singen und klappern, als er mit dem Saubermachen begann. Die Musik lief laut, Aretha Franklins »You Make Me Feel Like a Natural Woman«. Ha! Gerade jetzt fühlte sie sich wie das genaue Gegenteil mit all ihren Wehwehchen und Schmerzen, aber verführt von der Musik und eingestimmt durch die langen Jahre des Tanzens, begann ihr Körper sich im Takt zu bewegen und zu drehen.
    Sie fuhr mit einem feinen Kamm durch ihr Haar, und mit ein paar Handgriffen hatte sie es zum Knoten gedreht, ohne in den Spiegel zu schauen. Sie hatte es so viele Jahre getan, sie konnte es im Dunkeln. Sie sah jetzt prüfend in den Spiegel, während sie das Haar rasch feststeckte und sparsam grauen Lidschatten und Maskara auftrug. Der Anblick der Schramme auf der Stirn störte sie, deshalb rollte sie einen Seidenschal zu einem schmalen Band und knotete es um den Kopf. Sie war bereit, sich der Welt zu stellen.
    Halt. Der Schlüssel. Wo hatte sie hingelegt? In das Streichholzheft. Sie fand die Streichhölzer auf der Kommode beim Bett, wo sie sie letzte Nacht — oder vielmehr früh am Morgen — hingelegt hatte. Sie zog den Schlüssel aus dem Streichholzheft. Harmlos aussehendes Ding. Sie ließ das graue Streichholzheft, auf das der Umriß einer Palme gedruckt war, wieder auf die Kommode fallen.
    Das Telefon läutete wieder. Sie steckte den Schlüssel in die Jackentasche und ging die Nachricht mithören. Carlos hatte die Musik leise gestellt und hörte ebenfalls zu. Sie grinste ihn an. Er war so süß. So leicht durchschaubar und offenherzig. Sie hatte ihn sehr gern.
    »Hallo, Miss Wetzon.« Die Stimme hatte einen mitteleuropäischen Akzent. »Hier ist Georgette Klinger. Wir bestätigen Ihren Termin bei uns für morgen zwölf Uhr bei Rosa.«
    Nach dem Auflegen und dem Abschalten des Geräts herrschte absolute Stille. Dann schallendes Gelächter von Carlos.
    »Was sagst du nun zur Berühmtheit?« Sie lachte.
    »Toll«, sagte er, »du hast tatsächlich Georgette Klinger selbst dran gehabt.« Und beide fingen wieder an zu lachen, weil

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