Wall Street Blues
Wetzon.
»Bestimmt bringt Carlos uns was, sind Sie so lieb?« meinte Smith herablassend »Ich hätte gern eine Cola light mit viel Eis.«
Carlos sah sie kalt an. »Ihre Hände sind in letzter Zeit in so vieler Leute Taschen gewesen, sie müssen müde sein.« Er wandte sich an Wetzon. »Was möchtest du, Schatz?«
»Das gleiche bitte, Carlos.«
Als er die Colas holen ging, tadelte Wetzon: »Smith, bitte. «
»Er ist so ekelhaft und degeneriert. Du weißt nie, wer zu dir paßt. Deine Menschenkenntnis ist unmöglich.«
Wetzon schloß die Augen. Laß mich ausspannen, dachte sie.
Carlos kam mit einem alten Cola-Tablett und drei Gläsern Cola auf Eis zurück. Und mit einem gefährlichen Blick in den Augen.
»Hör zu, Les«, sagte er, »ich habe auf dich gewartet, weil gerade, als ich weggehen wollte... ich stand genaugenommen schon im Flur... also es hat sich jemand an deiner Tür zu schaffen gemacht.«
»Was?« Sie setzte sich auf.
»Wirklich?« Smith schien zu zweifeln.
»Ich weiß, daß jemand versucht hat einzubrechen«, sagte er ungeduldig. »Ich begann hier drinnen zu klappern und zu trampeln, und er muß mich gehört haben und weggegangen sein.«
»Wie konnte er am Pförtner vorbei?« fragte Smith.
»Larry ist nicht immer hundertprozentig bei der Sache, Smith«, erklärte Wetzon.
»Warum haben Sie nicht nachgesehen?« herrschte Smith ihn an.
»Sind Sie verrückt?« sagte er. »Vielleicht hatte er eine Waffe dabei... Er hätte mich durch die Tür erschießen können.«
Wetzon hatte plötzlich einen kalten Klumpen im Magen. Sie fröstelte, während sie Carlos anstarrte und zu begreifen versuchte, was er sagte.
»Na«, bemerkte Smith, »ein richtiger Mann hätte nachgesehen, wer es war.«
»Smith...« warnte Wetzon. »Carlos...«
»Hören Sie, Sie alte Schlange«, sagte Carlos liebenswürdig, indem er sich dicht über Smith beugte, Auge in Auge, »versuchen Sie nicht, mir Vorschriften zu machen. Es funktioniert nicht, und es macht mich...«
»Carlos! Xenia, um Gottes willen!« rief Wetzon.
»Jetzt reicht’s.« Smith stand auf. »Ich habe es nicht nötig, hier zu sitzen und mich von einer dreckigen Schwuchtel beleidigen zu lassen.«
Der Summer ertönte.
»Ich gehe hin«, sagte Carlos. »Vielleicht hat sie sich hinausgeschlichen, bis ich zurück bin.«
Smith war in Rage. »Eben ist Schluß, Wetzon. Ich habe nichts mehr zu sagen. Du sitzt da und läßt mich von dieser Kreatur beleidigen, die du als Freund bezeichnest...«
»Ihr Kavalier wartet in der Halle«, rief Carlos boshaft aus dem Flur. »Und vergessen Sie Ihren Besenstiel nicht.«
Smith stampfte aus der Wohnung, ohne sich umzudrehen, ohne ein Wort zu sagen. Die Tür schlug hinter ihr zu.
»Ach du Scheiße!« rief Wetzon und vergrub den Kopf in den Sofakissen.
»Oh, Mann, Kleines, es tut mir leid«, sagte Carlos, der sich neben sie gesetzt hatte und sie umarmte. »Aber mit der Frau stimmt etwas nicht. Siehst du das denn nicht? Sie ist keine Freundin, wenn sie versucht, dich von deinen Freunden zu trennen. Und immer duckt sie dich. Sie hat sich nicht einmal darüber aufgeregt, daß jemand hier einbrechen wollte.«
»Bitte, Carlos, nicht jetzt. Ich habe Angst.«
»Na, na, keine Sorge. Ich bin ja hier. Carlos paßt schon auf, daß dir nichts passiert. Mit wem könnte ich sonst tratschen ?« Er küßte sie oben auf den Kopf. »Deshalb habe ich gewartet. Ich schlafe heute nacht auf dem Sofa, und morgen besorge ich dir einen Kettenriegel.«
»Danke, mein Freund«, sagte sie.
»Ich wünschte mir wirklich, daß du aus diesem schmutzigen Geschäft aussteigst«, sagte er, »und wieder zu uns zurückkommst, wo du hingehörst. Du bist zu gut für diese Leute. Sie sind alle wie die Haie, und irgendwann fressen sie dich lebendigen Leibes auf.«
I n diesem Moment war Wetzon mit Carlos einer Meinung — daß sie lebendigen Leibes gefressen wurde aber sie war sicher, daß nur der Mord an Barry daran schuld war.
Sie zogjeans und ein flauschiges braun und blaugrün kariertes Flanellhemd an.
Im Grunde war sie gern Headhunter, weil es Spaß machte. Kein Tag war wie der andere. Und sie verdiente gern gut. Sie hatte mit Tanzen aufgehört, weil sie es satt hatte — von einer Show zur nächsten zu gehen, von denen viele die Premiere nicht überlebten. Sie hatte die Verletzungen satt, die zum Beruf des Tänzers gehörten, und sie hatte gesehen, daß sie mit der Zeit einfach eine ausgetanzte, alternde Gruppentänzerin sein würde.
»Was möchtest du zu
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