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Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht

Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht

Titel: Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Schwester Kristina traf – sie wohnte in Stockholm und führte einen Damenfrisiersalon   –, hatte er versucht, sie auszufragen, weil er wußte, daß sie und sein Vater in gutem Kontakt zueinander standen. Aber auch sie wußte keine Antwort.
    Er trank den lauwarmen Kaffee und dachte, daß sein Vater |47| sich insgeheim gewünscht hatte, er möge eines Tages den Pinsel übernehmen und noch eine Generation lang dasselbe Motiv malen.
    Plötzlich legte sein Vater den Pinsel weg und wischte sich die Hände an einem dreckigen Lappen ab. Als er seinem Sohn näher kam, um sich eine Tasse Kaffee einzugießen, bemerkte dieser, daß sein Vater ungewaschen und nach schmutzigen Kleidern roch.
    Wie sagt man seinem Vater, daß er stinkt? dachte Kurt Wallander.
    Vielleicht ist er inzwischen tatsächlich so alt, daß er nicht mehr alleine zurechtkommt?
    Und was mache ich dann?
    Ich kann ihn nicht zu mir nehmen, das geht nicht. Wir würden uns gegenseitig umbringen.
    Er beobachtete seinen Vater, der sich mit der einen Hand über die Nase strich und gleichzeitig seinen Kaffee schlürfte.
    »Du hast mich lange nicht mehr besucht«, sagte er vorwurfsvoll.
    »Ich war doch erst vorgestern hier.«
    »Eine halbe Stunde!«
    »Aber ich war hier.«
    »Warum willst du mich nicht treffen?«
    »Das will ich ja! Aber manchmal habe ich einfach viel zu tun.«
    Der Vater setzte sich auf einen alten, kaputten Schlitten, der unter seinem Gewicht knarrte.
    »Ich wollte dir nur erzählen, daß deine Tochter mich gestern besucht hat.«
    Kurt Wallander staunte nicht schlecht.
    »Linda war hier?«
    »Hörst du mir nicht zu?«
    »Warum?«
    »Sie wollte ein Bild haben.«
    »Ein Bild?«
    |48| »Im Gegensatz zu dir weiß sie meine Arbeit zu schätzen.«
    Kurt Wallander traute seinen Ohren nicht mehr.
    Linda hatte, außer als sie noch ganz klein war, nie besonderes Interesse an ihrem Großvater gezeigt.
    »Was wollte sie?«
    »Ein Bild, hab’ ich doch gerade gesagt! Hörst du mir eigentlich gar nicht zu?«
    »Ich höre zu! Woher kam sie? Wohin wollte sie? Wie zum Teufel ist sie hergekommen? Muß ich dir denn alles aus der Nase ziehen?«
    »Sie kam im Auto«, sagte der Vater. »Ein junger Mann mit schwarzem Gesicht fuhr sie.«
    »Was meinst du damit? Schwarz?«
    »Hast du schon mal was von Negern gehört? Er war sehr höflich und sprach ausgezeichnet Schwedisch. Ich gab ihr das Bild, und dann sind sie wieder gefahren. Ich dachte, es würde dich vielleicht interessieren, wo ihr doch so wenig Kontakt zueinander habt.«
    »Wohin sind sie gefahren?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    Keiner von ihnen wußte, wo sie wohnt, fuhr es Kurt Wallander durch den Kopf. Manchmal übernachtete sie bei ihrer Mutter. Aber dann ging sie wieder ihre eigenen, unbekannten Wege.
    Ich muß unbedingt mit Mona sprechen, dachte er. Geschieden oder nicht, wir müssen miteinander reden. So kann es einfach nicht weitergehen.
    »Willst du einen Schnaps?« fragte der Vater unvermittelt.
    Das war das letzte, was Kurt Wallander wollte. Aber er wußte, daß es keinen Zweck hatte, nein zu sagen.
    »Ja, bitte«, sagte er.
    Das Nebengebäude war durch einen Gang mit dem niedrigen und dürftig möblierten Wohnhaus verbunden. Kurt Wallander sah mit einem Blick, daß es unaufgeräumt und dreckig war.
    |49| Er sieht es nicht mehr, dachte er. Und warum habe ich nichts gemerkt?
    Ich muß mit Kristina darüber reden. Er kann nicht länger alleine wohnen.
    Im selben Augenblick klingelte das Telefon.
    Sein Vater ging ran.
    »Es ist für dich«, sagte er mit sichtlich irritierter Stimme.
    Linda, dachte er. Sicher ist sie es.
    Aber es war Rydberg aus dem Krankenhaus.
    »Sie ist tot«, sagte er.
    »Ist sie noch einmal aufgewacht?«
    »Ja, das ist sie. Zehn Minuten lang. Die Ärzte glaubten, die Krise wäre vorüber. Dann ist sie gestorben.«
    »Hat sie noch etwas gesagt?«
    Rydbergs Stimme klang nachdenklich, als er antwortete.
    »Ich glaube, es ist das beste, wenn du in die Stadt kommst.«
    »Was hat sie gesagt?«
    »Etwas, das dir nicht gefallen wird.«
    »Ich komme zum Krankenhaus.«
    »Besser ins Präsidium. Sie ist tot, sagte ich doch.«
    Kurt Wallander legte den Hörer auf.
    »Ich muß gehen«, sagte er.
    Sein Vater sah ihn wütend an.
    »Du kümmerst dich nicht um mich«, warf er ihm vor.
    »Ich komme morgen wieder«, antwortete Kurt Wallander und fragte sich, wie er mit dem Stadium des Verfalls, in dem sein Vater sich befand, umgehen sollte. »Morgen komme ich bestimmt. Wir können uns zusammensetzen

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