Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht
hatte. Er ging zum Schlüsseldienst, dessen Werkstatt im selben Gebäude lag wie die Tankstelle und lieh sich zwanzig Kronen von dem Besitzer, der ihn von einer ein paar Jahre zurückliegenden Ermittlung im Zusammenhang mit einem Einbruch wiedererkannte.
|82| Er bremste auf seinem Parkplatz und eilte ins Polizeipräsidium. Ebba versuchte, ihm etwas mitzuteilen, aber er winkte ab.
Die Tür zu Hanssons Zimmer stand offen, und er ging ohne anzuklopfen hinein.
Es war leer.
Im Flur stieß er auf Martinsson, der mit einem Bündel Computerstreifen daherkam.
»Dich habe ich gerade gesucht«, sagte Martinsson. »Ich habe ein bißchen Material ausgegraben, das vielleicht interessant sein könnte. Weiß der Henker, ob es nicht auch Finnen gewesen sein können, die das hier gemacht haben.«
»Wenn wir nichts wissen, behaupten wir immer, daß es Finnen waren«, gab Kurt Wallander zurück. »Ich habe jetzt keine Zeit. Weißt du, wo Hansson steckt?«
»Der geht doch nie aus seinem Zimmer?«
»Dann müssen wir ihn eben suchen. Im Moment ist er jedenfalls nicht da.«
Er sah in der Kantine nach, aber dort saß nur ein Büroangestellter, der sich ein Omelett machte.
Wo ist bloß dieser verdammte Hansson, dachte er und stieß die Tür zu seinem eigenen Zimmer auf.
Auch da nichts. Er rief Ebba in der Zentrale an.
»Wo ist Hansson?« fragte er.
»Wenn du eben nicht so schnell an mir vorbeigerauscht wärst, hätte ich es dir bereits sagen können, als du gekommen bist«, antwortete Ebba. »Er ließ ausrichten, daß er zur Raiffeisenbank wolle.«
»Was will er denn da? Hatte er jemanden bei sich?«
»Ja. Aber ich weiß nicht, wer das war.«
Kurt Wallander schmiß den Hörer auf die Gabel.
Was um alles in der Welt trieb Hansson bloß?
Er nahm den Hörer wieder auf.
»Kannst du Hansson für mich auftreiben?« bat er Ebba.
»In der Raiffeisenbank?«
|83| »Wenn er dort ist, ja.«
Es war äußerst selten, daß er Ebba bei der Suche nach Personen, die er selbst sprechen wollte, um Hilfe bat. Er hatte sich nie an den Gedanken gewöhnen können, eine eigene Sekretärin zu haben. Wenn er etwas zu erledigen hatte, wollte er sich selbst darum kümmern. Nur die Reichen und Mächtigen konnten es sich leisten, andere zu beauftragen, für sie die Drecksarbeit zu machen. Nicht selbst in einem Telefonbuch nachschlagen oder den Telefonhörer abheben zu können war die reine Faulheit, durch nichts zu entschuldigen.
Das Klingeln des Telefons riß ihn aus seinen Gedanken. Es war Hansson, der aus der Raiffeisenbank anrief.
»Ich dachte, daß ich zurück sein würde, bevor du kommst«, sagte Hansson. »Du fragst dich vielleicht, was ich hier mache?«
»Das kann man wohl sagen!«
»Wir wollten uns mal Lövgrens Bankkonten ansehen.«
»Wer ist wir?«
»Er heißt Herdin. Aber es ist am besten, wenn du selbst mit ihm redest. Wir sind in einer halben Stunde zurück.«
Es dauerte dann doch eineinviertel Stunden, bis Kurt Wallander den Mann namens Herdin traf. Er war fast zwei Meter lang, sehnig und mager, und als Kurt Wallander ihn begrüßte, fühlte er sich wie ein Zwerg.
»Es hat doch ein bißchen länger gedauert«, entschuldigte sich Hansson. »Aber es hat etwas gebracht. Hör dir mal an, was Herdin zu sagen hat. Und was wir auf der Bank herausbekommen haben.«
Herdin saß lang und stumm auf einem Stuhl.
Kurt Wallander hatte den Eindruck, daß er sich für den Polizeibesuch seine besten Kleider angezogen hatte. Auch wenn das ein abgetragener Anzug und ein Hemd mit fransigem Kragen waren.
»Es ist wohl am besten, wenn wir von vorn anfangen«, sagte Kurt Wallander einleitend und nahm sich einen Notizblock.
Herdin warf Hansson einen erstaunten Blick zu.
|84| »Soll ich etwa alles noch mal erzählen?« fragte er.
»Das ist wohl das beste«, gab Hansson zurück.
»Es ist eine lange Geschichte«, begann Herdin zögernd.
»Wie heißen Sie?« fragte Kurt Wallander. »Ich glaube, wir sollten damit anfangen.«
»Lars Herdin. Ich habe einen Hof von vierzig Morgen bei Hagestad. Ich versuche, meinen Lebensunterhalt mit Schlachttierhaltung zu verdienen. Aber das reicht kaum.«
»Ich habe seine persönlichen Daten«, warf Hansson ein, und Kurt Wallander hatte ihn im Verdacht, daß er es eilig hatte, zu seinen Rennprogrammen zurückzukommen.
»Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind Sie hierhergekommen, weil Sie meinen, zur Aufklärung des Mordes an den Eheleuten Lövgren beitragen zu können«, sagte Kurt Wallander und wünschte, daß
Weitere Kostenlose Bücher