Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht
er sich einfacher ausgedrückt hätte.
»Es ist klar, daß es wegen des Geldes war«, sagte Lars Herdin.
»Welches Geld?«
»Das ganze Geld, das sie hatten.«
»Können Sie sich etwas deutlicher ausdrücken?«
»Das Geld von den Deutschen.«
Kurt Wallander sah zu Hansson hinüber, der diskret mit den Schultern zuckte. Kurt Wallander bedeutete ihm, daß man wohl Geduld haben müsse.
»Wir müssen wohl doch etwas mehr ins Detail gehen«, meinte er. »Sie könnten nicht vielleicht etwas ausführlicher sein?«
»Lövgren und sein Vater verdienten während des Krieges ’ne Menge Geld«, erklärte Lars Herdin. »Auf ein paar Waldwiesen in Småland hielten sie heimlich Schlachtvieh. Und sie kauften ausgediente Pferde auf. Die verkauften sie dann schwarz nach Deutschland. An dem Fleisch haben sie sich eine goldene Nase verdient. Es hat sie nie irgend jemand erwischt. Und Lövgren war sowohl gierig als auch geschickt. |85| Er legte das Geld an, und mit den Jahren ist es immer mehr geworden.«
»Sie meinen Lövgrens Vater?«
»Er starb direkt nach dem Krieg. Ich meine Lövgren.«
»Sie behaupten also, daß Lövgrens vermögend waren?«
»Nicht die Familie. Nur Lövgren. Sie wußte nichts von dem Geld.«
»Er hat also sein Vermögen vor seiner Frau geheimgehalten?«
Lars Herdin nickte.
»Keiner ist so reingelegt worden wie meine Schwester.«
Kurt Wallander hob erstaunt die Augenbrauen.
»Maria Lövgren war meine Schwester. Sie wurde getötet, weil er ein Vermögen versteckt hat.«
Kurt Wallander hörte seine nur schlecht unterdrückte Bitterkeit. Vielleicht war doch Haß im Spiel, dachte er.
»Und dieses Geld wurde zu Hause aufbewahrt?«
»Nur manchmal«, antwortete Lars Herdin.
»Manchmal?«
»Wenn er große Beträge abgehoben hat.«
Plötzlich war es, als habe bei dem Mann in dem abgetragenen Anzug etwas das Faß zum Überlaufen gebracht.
»Johannes Lövgren war ein Schwein«, brach es aus ihm heraus. »Es ist gut, daß er jetzt tot ist. Aber daß Maria auch sterben mußte, das werde ich ihm niemals verzeihen …«
Lars Herdins Ausbruch kam so plötzlich, daß weder Hansson noch Kurt Wallander reagieren konnten. Herdin schnappte sich den dicken Glasaschenbecher, der auf dem Tisch vor ihm stand, und knallte ihn mit voller Wucht an die Wand, genau neben Wallanders Kopf. Das Glas zersplitterte, und Kurt Wallander spürte, wie eine Glasscherbe seine Oberlippe traf.
Die Stille nach dem Ausbruch war ohrenbetäubend.
Hansson war aufgestanden und schien bereit, sich auf den langen Lars Herdin zu stürzen. Aber Kurt Wallander hob abwehrend die Hand, und Hansson setzte sich wieder hin.
|86| »Es tut mir leid«, sagte Lars Herdin. »Wenn es Schaufel und Besen gibt, fege ich das Glas zusammen. Ich werde natürlich für den Schaden aufkommen.«
»Darum kümmern sich die Putzfrauen«, antwortete Kurt Wallander. »Es ist jetzt wichtiger, daß wir weiter miteinander reden.«
Lars Herdin schien wieder ganz ruhig zu sein.
»Johannes Lövgren war ein Schwein«, wiederholte er. »Er tat so, als ob er wie jeder andere wäre. Aber er dachte nur an das Geld, das er und sein Vater während des Krieges durch krumme Machenschaften verdient hatten. Wie hat er immer gejammert, daß alles so teuer und die Bauern so arm waren. Aber er hatte sein Geld, das mehr und immer mehr wurde.«
»Und das Geld hatte er auf einem Bankkonto?«
Lars Herdin zuckte mit den Schultern.
»Auf der Bank, in Aktien, Obligationen, was weiß ich.«
»Und warum bewahrte er das Geld dann manchmal zu Hause auf?«
»Johannes Lövgren hielt sich ein Flittchen«, sagte Lars Herdin. »Er hatte ein Frauenzimmer in Kristianstad, mit der er in den fünfziger Jahren ein Kind bekam. Auch davon wußte Maria nichts. Ihr gab er jährlich mehr Geld, als er Maria während ihres ganzen Lebens gegönnt hat.«
»Um wieviel Geld handelte es sich?«
»Fünfundzwanzig-, dreißigtausend. Zwei- bis dreimal im Jahr. Er hob das Geld bar ab. Dann überlegte er sich eine passende Ausrede und fuhr nach Kristianstad.«
Kurt Wallander dachte einen kurzen Augenblick über das nach, was er da gerade gehört hatte.
Er versuchte sich darüber klarzuwerden, welche Fragen am wichtigsten waren. Es würde mehrere Stunden dauern, sämtliche Details zu überprüfen.
»Was haben sie auf der Bank gesagt?« fragte er Hansson.
»Wenn man nicht die notwendigen Durchsuchungspapiere dabeihat, gibt die Bank meistens gar keine Auskünfte«, erwiderte |87| Hansson. »Ich durfte mir
Weitere Kostenlose Bücher