Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht
Kurt Wallander und empfand die unbekannte Stimme als unangenehm.
»Drei Tage, die Mörder zu schnappen und sie der Öffentlichkeit vorzuführen«, sagte der Mann. »Sonst übernehmen wir die Sache.«
»Was übernehmen? Wer ist wir?«
»Drei Tage. Keinen Tag länger. Dann wird es brennen.«
|100| Der Hörer wurde aufgelegt.
Kurt Wallander schaltete das Licht in der Küche an und setzte sich an den Tisch. Auf einem alten Notizblock, den Mona für ihre Einkaufslisten verwandt hatte, schrieb er das Gespräch auf. »Brot« stand zuoberst auf dem Block. Was sie darunter geschrieben hatte, konnte er nicht entziffern.
Es war nicht das erste Mal während seiner Zeit bei der Polizei, daß Kurt Wallander eine anonyme Drohung erhielt. Ein Mann, der fand, daß er wegen Körperverletzung unschuldig verurteilt worden war, hatte ihn vor einigen Jahren mit beleidigenden Briefen und nächtlichen Telefonanrufen terrorisiert. Schließlich hatte Mona die Sache satt gehabt und von ihm eine Reaktion verlangt. Kurt Wallander hatte Svedberg mit der Botschaft zu dem Mann geschickt, daß er eine längere Gefängnisstrafe riskiere, wenn er mit seinen Aktionen nicht aufhöre. In einem anderen Fall hatte jemand seine Autoreifen aufgeschlitzt.
Aber die Botschaft dieses Mannes war von ganz anderer Art.
Daß etwas brennen werde, hatte er gesagt. Kurt Wallander begriff, daß es sich dabei um alles mögliche handeln konnte, von Unterkünften für Asylanten bis zu Restaurants oder Wohnungen, die von Ausländern bewohnt wurden.
Drei Tage. Oder auch dreimal vierundzwanzig Stunden. Das würde bedeuten Freitag, spätestens Samstag den dreizehnten.
Er legte sich wieder auf sein Bett und versuchte zu schlafen.
Der Wind zerrte und riß an den Häuserwänden.
Aber wie sollte er schlafen können, wenn er doch nur darauf wartete, daß der Mann noch einmal anrief?
Um halb sieben war er schon wieder im Polizeipräsidium. Er wechselte ein paar Worte mit dem Diensthabenden und erfuhr, daß die Nacht trotz des Sturms ruhig gewesen war. Ein Sattelschlepper war an der Ortseinfahrt von Ystad ins Schleudern geraten und umgekippt, in Skårby war ein Baugerüst vom Wind umgerissen worden. Das war alles.
Er holte Kaffee und ging in sein Büro. Mit einem alten |101| Rasierapparat, den er in einer der Schreibtischschubladen verwahrte, kratzte er sich die Stoppeln aus dem Gesicht. Dann ging er hinaus und holte die Tageszeitungen. Je mehr er in ihnen blätterte, desto unzufriedener wurde er. Obwohl er am Abend zuvor bis spät in die Nacht am Telefon mit einer Reihe von Journalisten gesprochen hatte, waren seine Versicherungen, daß sich die Polizei bei den Ermittlungen keineswegs auf ein paar Ausländer konzentriere, nur vage und unzureichend wiedergegeben worden. Es schien, als hätten die Zeitungen diese Wahrheit nur äußerst widerwillig akzeptiert.
Er entschied, für den Nachmittag eine neuerliche Pressekonferenz einzuberufen und einen ausführlichen Bericht zur Fahndungssituation zu geben. Außerdem würde er mit der anonymen Drohung an die Öffentlichkeit treten, die er während der Nacht bekommen hatte.
Er nahm einen Ordner aus dem Regal hinter sich. In diesem Ordner hatte er alle Angaben zu den einzelnen Unterkünften für Asylbewerber, die es bei ihnen in der Nähe gab. Abgesehen von dem großen Auffanglager in Ystad, gab es eine Reihe kleinerer Unterkünfte, die im ganzen Distrikt verstreut lagen.
Aber welchen Beweis gab es eigentlich dafür, daß die Drohung gerade einem Lager im Polizeidistrikt von Ystad galt. Keinen. Außerdem konnte sich die Drohung auch genausogut gegen ein Restaurant oder ein Privathaus richten. Wie viele Pizzerien gab es zum Beispiel im Umkreis von Ystad? Fünfzehn? Mehr?
Aber über eine Sache war er sich völlig im klaren. Die nächtliche Drohung mußte ernst genommen werden. Im letzten Jahr waren allzu viele Dinge geschehen, die zeigten, daß es mehr oder weniger organisierte Gruppen im ganzen Land gab, die nicht zögerten, offen Gewalt gegen in Schweden lebende ausländische Mitbürger oder asylsuchende Flüchtlinge anzuwenden.
Er sah auf die Uhr. Viertel vor acht. Er nahm den Telefonhörer und wählte die Privatnummer Rydbergs. Nach zehn |102| Klingelzeichen legte er wieder auf. Rydberg war schon auf dem Weg.
Martinsson steckte den Kopf zur Tür hinein.
»Hallo«, sagte er. »Wann haben wir heute Besprechung?«
»Um zehn«, antwortete Kurt Wallander.
»Was für ein Sauwetter!«
»Solange es nicht schneit, kann es
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