Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht
seinen Namen zu nennen. Dann berichten wir über die Drohung. Und sagen, daß alle Gerüchte über irgendwelche Ausländer völlig aus der Luft gegriffen sind.«
»Aber das ist doch auch nicht die volle Wahrheit«, meinte Rydberg nachdenklich.
»Wie meinst du das?«
»Die Frau hat nun einmal gesagt, was sie gesagt hat. Und es handelt sich zudem um einen argentinischen Knoten.«
|105| »Kannst du mir erklären, wie das mit einem Raub zusammenpaßt, der vermutlich von Menschen ausgeführt wurde, die Johannes Lövgren sehr gut kannten?«
»Nein, noch nicht. Ich finde überhaupt, daß es zu früh für Schlußfolgerungen ist. Findest du nicht?«
»Vorläufige Schlußfolgerungen«, sagte Kurt Wallander. »Die ganze Polizeiarbeit baut darauf auf, Schlüsse zu ziehen, die man anschließend wieder verwirft, oder auf die man weiter aufbaut.«
Rydberg brachte sein krankes Bein in eine andere Stellung.
»Was willst du mit unserer undichten Stelle hier machen?« fragte er.
»Ich habe vor, bei der Besprechung wütend zu werden«, antwortete Kurt Wallander. »Dann soll sich Björk der Sache annehmen, wenn er wieder zurück ist.«
»Was glaubst du, was er tun wird?«
»Nichts.«
»Genau.«
Kurt Wallander breitete in einer hilflosen Geste die Arme aus.
»Es ist wohl besser, sich von vornherein damit abzufinden. Wer auch immer dem Fernsehen die Sache gesteckt hat, er wird deshalb keins auf den Deckel bekommen. Was meinst du eigentlich, was das schwedische Fernsehen einem Polizisten, der etwas ausplaudert, bezahlt?«
»Vermutlich viel zuviel. Deshalb haben sie auch kein Geld, um mal ein ordentliches Programm zu machen …«
Rydberg stand von seinem Stuhl auf.
»Eins darfst du nicht vergessen«, sagte er, als er, die eine Hand bereits auf der Klinke, an der Tür stand. »Ein Polizist, der einmal etwas ausplaudert, kann auch wieder plaudern.«
»Was willst du damit sagen?«
»Er kann auch in Zukunft darauf bestehen, daß eine unserer Spuren Ausländer als mögliche Täter vermuten läßt. Und das entspricht ja immerhin auch der Wahrheit.«
|106| »Das ist keine Spur«, sagte Kurt Wallander. »Das ist das letzte verwirrte Wort einer umnachteten und sterbenden alten Frau.«
Rydberg zuckte mit den Schultern.
»Du mußt wissen, was du tust«, gab er zurück. »Wir sehen uns gleich.«
Die Besprechung verlief so schlecht, wie eine solche Fahndungsbesprechung nur verlaufen konnte. Kurt Wallander hatte sich dafür entschieden, mit der undichten Stelle im Apparat anzufangen und den Konsequenzen, die nun zu befürchten waren. Dann wollte er von dem anonymen Anruf berichten, den er bekommen hatte, und dann um Vorschläge dazu bitten, was in der Zeit bis zum Ablauf des Ultimatums zu tun war. Aber als er wütend beklagte, daß jemand unter den Anwesenden offensichtlich so illoyal war, daß er vertrauliche Informationen verbreitete und vielleicht sogar Geld dafür entgegennahm, traf er auf genauso wütende Proteste. Einige der Polizisten meinten, daß das Gerücht ebensogut vom Krankenhaus aus nach außen gedrungen sein konnte. Waren denn nicht sowohl Ärzte als auch Krankenschwestern dabeigewesen, als die alte Frau ihre letzten Worte gesprochen hatte?
Kurt Wallander versuchte, diesen Einwand zu entkräften, aber daraufhin wiederholten sich nur die Proteste. Bis die Diskussion schließlich zu den Nachforschungen übergeleitet werden konnte, hatte sich eine gedrückte Stimmung im Raum breitgemacht. Der Optimismus des Vortags war einer zähen Atmosphäre gewichen. Kurt Wallander mußte einsehen, daß er die falsche Reihenfolge gewählt hatte.
Der Versuch, das Auto zu identifizieren, mit dem der Lastwagenfahrer fast zusammengestoßen war, hatte bislang zu keinem Ergebnis geführt. Um die Aussichten zu vergrößern, wurde zusätzlich ein Mann dafür abgestellt, sich um das Auto zu kümmern.
Die Untersuchungen zu Lars Herdins Vergangenheit waren noch nicht abgeschlossen. Auf den ersten Blick war nichts |107| Bemerkenswertes festzustellen gewesen. Lars Herdin war nicht vorbestraft und hatte offensichtlich auch keine nennenswerten Schulden.
»Er muß auf den Kopf gestellt werden«, sagte Kurt Wallander. »Über ihn müssen wir alles wissen, was in Erfahrung zu bringen ist. Ich werde gleich die Staatsanwältin treffen und dabei um die nötigen Papiere bitten, so daß wir Nachforschungen auf der Bank anstellen können.«
Peters war derjenige mit der größten Neuigkeit.
»Johannes Lövgren hatte zwei Bankschließfächer«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher