Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht
»Daß es so schwierig ist, dieses Auto zu finden«, meinte Kurt Wallander und drückte auf die schmerzende Beule an der Stirn.
»Die Beschreibung des Autos habe ich doch auf der Pressekonferenz durchgegeben und den Fahrer gebeten, sich bei uns zu melden.«
»Nur Geduld«, sagte Rydberg.
»Was ist bei dem Gespräch mit den Töchtern herausgekommen? Falls es darüber Unterlagen gibt, kann ich sie auf dem Weg nach Kristianstad lesen. Glaubt übrigens einer von euch, daß der Anschlag letzte Nacht mit der Drohung zusammenhängt, die ich bekommen habe?«
Sowohl Rydberg als auch Näslund schüttelten den Kopf.
»Ich auch nicht«, sagte Kurt Wallander. »Was bedeutet, daß wir Vorkehrungen für den Fall treffen müssen, daß am Freitag oder Samstag etwas passiert. Dabei habe ich an dich gedacht, Rydberg. Du könntest dir darüber Gedanken machen und heute nachmittag einen Vorschlag mit den geplanten Vorkehrungen präsentieren.«
Rydberg verzog das Gesicht.
»So was ist nicht gerade meine Stärke.«
»Du bist ein guter Polizist, du machst das schon.«
Rydberg musterte ihn kritisch.
Dann stand er auf und ging. An der Tür blieb er stehen.
»Die Tochter, mit der ich gesprochen habe, die aus Kanada, hatte ihren Mann dabei. Den berittenen Polizisten. Er hat gefragt, warum wir keine Waffen tragen.«
»Vielleicht müssen wir das in ein paar Jahren«, antwortete Kurt Wallander.
Gerade als er mit Näslund über das Gespräch zwischen ihm und Lars Herdin reden wollte, klingelte das Telefon. Es war Ebba, die ihm mitteilte, daß der Chef der Einwanderungsbehörde am Telefon war.
Er war erstaunt, am anderen Ende die Stimme einer Frau zu hören. In seiner Vorstellung waren staatliche Generaldirektoren |134| immer noch ältere Herren mit abgeklärt würdevoller Haltung und arroganter Selbstüberschätzung.
Die Frau hatte eine angenehme Stimme. Aber was sie sagte, regte ihn sofort auf. Einen kurzen Moment dachte er darüber nach, daß es einem stellvertretenden Polizeichef vom Land vielleicht als Dienstvergehen angekreidet werden würde, wenn er dem Oberpriester einer staatlichen Behörde widersprach.
»Wir sind sehr unzufrieden«, sagte die Frau. »Die Polizei muß in der Lage sein, die Sicherheit unserer Flüchtlinge und Asylbewerber garantieren zu können.«
Die redet genauso wie dieser verdammte Leiter, dachte er.
»Wir tun, was wir können«, gab er zurück und versuchte gar nicht erst, seinen Unmut zu verbergen.
»Das reicht offenbar nicht.«
»Es wäre bedeutend einfacher gewesen, wenn wir laufend Informationen darüber bekommen hätten, wie viele Flüchtlinge sich in den unterschiedlichen Unterkünften überhaupt aufhalten.«
»Unsere Behörde hat die vollständige Kontrolle über die Asylbewerber.«
»Den Eindruck habe ich nicht.«
»Die Einwanderungsministerin macht sich große Sorgen.«
Kurt Wallander sah die rothaarige Dame vor sich, die sich in regelmäßigen Abständen im Fernsehen äußerte.
»Ihr Anruf ist uns jederzeit willkommen«, sagte Kurt Wallander und zog eine Grimasse in Richtung Näslund, der in irgendwelchen Unterlagen blätterte.
»Es hat den Anschein, als würden von seiten der Polizei keine hinlänglichen Ressourcen bereitgestellt, um die Asylbewerber zu schützen.«
»Oder aber es kommen zu viele. Ohne daß Sie wissen, wo sie sich aufhalten.«
»Wie meinen Sie das?«
Die freundliche Stimme wurde plötzlich kühl.
Kurt Wallander fühlte Wut in sich aufsteigen.
|135| »Bei dem Brand in der letzten Nacht offenbarte sich in dem Lager eine kolossale Unordnung. Das meine ich. Es ist überhaupt schwierig, von der Einwanderungsbehörde klare Weisungen zu erhalten. Die Polizei bekommt von Ihnen oft Anweisung über den Vollzug von Abschiebungen. Aber Sie wissen nicht, wo sich diejenigen, die abgeschoben werden sollen, befinden. Manchmal sind wir gezwungen, mehrere Wochen nach den Personen zu suchen, die abgeschoben werden sollen.«
Das war die Wahrheit. Er hatte von seinen Kollegen in Malmö gehört, die von der Unfähigkeit der Einwanderungsbehörde, ihre Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen, schier zur Verzweiflung getrieben wurden.
»Das ist eine glatte Lüge«, erwiderte die Frau aufgebracht. »Ich denke nicht daran, meine wertvolle Zeit durch weitere Diskussionen mit Ihnen zu vergeuden.«
Das Gespräch war beendet.
»Blöde Kuh«, sagte Kurt Wallander verärgert und schmiß den Hörer auf die Gabel.
»Wer war das?« fragte Näslund.
»Eine Generaldirektorin«, antwortete Kurt
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