Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht
kreuzten die Bundesstraße nach Malmö und fuhren weiter Richtung Norden.
»Wie hat es bei Lars Herdin zu Hause ausgesehen?« fragte Kurt Wallander.
»Altmodisch. Aber ordentlich und sauber. Seltsamerweise macht er sein Essen in der Mikrowelle. Er hat mir selbstgebackene Zimtschnecken angeboten. In einem Käfig hat er einen großen Papagei. Der Garten war sehr gepflegt. Das ganze Grundstück war gut in Schuß. Keine kaputten Gartenzäune.«
»Was für ein Auto hat er?«
»Einen roten Mercedes.«
»Einen Mercedes?«
»Ja. Einen Mercedes.«
»Ich meine mich erinnern zu können, daß er gesagt hat, er käme kaum über die Runden?«
»Der Mercedes, den er hat, kostet über dreihunderttausend.«
Kurt Wallander dachte kurz nach.
»Wir müssen mehr über Lars Herdin herausbekommen«, sagte er. »Auch wenn er von den Mördern keine Ahnung hat, weiß er vielleicht doch etwas, ohne sich darüber im klaren zu sein.«
»Was hat das mit dem Mercedes zu tun?«
»Nichts. Ich habe bloß so ein Gefühl, daß Lars Herdin für uns wichtiger ist, als er selber ahnt. Außerdem bringt es einen doch ins Grübeln, wie sich ein Landwirt heutzutage noch ein Auto für dreihunderttausend Kronen leisten kann. Vielleicht |139| hat er eine Quittung gekriegt, auf der steht, daß er einen Traktor gekauft hat.«
Sie kamen nach Kristianstad und hielten gerade vor dem Polizeipräsidium, als Schneeregen einsetzte. Kurt Wallander fühlte die Stiche einer sich ankündigenden Erkältung im Hals.
Scheiße, dachte er. Ich darf jetzt nicht krank werden. Ich will Mona nicht mit Fieber und Schnupfen gegenübertreten.
Die Ystader Polizei und die Polizei in Kristianstad unterhielten keine besonderen Beziehungen zueinander, außer, daß sie zusammenarbeiteten, wenn die Situation es erforderte. Aber Kurt Wallander kannte einige der Kollegen aus unterschiedlichen Ermittlungen auf Bezirksniveau etwas näher. Hauptsächlich hoffte er, Göran Boman im Dienst anzutreffen. Er war in Wallanders Alter, und sie hatten sich bei einem Whisky in Tylösand kennengelernt. Dort hatten sie gemeinsam einen langweiligen Fortbildungstag über sich ergehen lassen müssen, der vom Fortbildungskomitee der Bezirkspolizei organisiert worden war. Ziel der Veranstaltung war gewesen, sie zu einer besseren und effektiveren Personalpolitik an ihren jeweiligen Arbeitsplätzen zu inspirieren. Abends hatten sie dann zusammengesessen, sich eine halbe Flasche Whisky geteilt und schnell gemerkt, daß sie viel gemeinsam hatten. Nicht zuletzt war die Reaktion ihrer Väter ziemlich ablehnend gewesen, als ihre Söhne sich entschieden hatten, die Polizeilaufbahn anzutreten.
Wallander und Näslund gingen in die Eingangshalle. Das Mädchen dort, das merkwürdigerweise mit dem singenden Dialekt der Leute aus Nordschweden sprach, konnte ihnen mitteilen, daß Göran Boman im Dienst war.
»Er führt gerade ein Verhör«, sagte das Mädchen. »Aber es dauert bestimmt nicht mehr lange.«
Kurt Wallander ging auf die Toilette. Er erschrak, als er sich selbst im Spiegel sah. Die Beulen und Schürfwunden leuchteten rot. Er wusch sein Gesicht mit kaltem Wasser. Gleichzeitig konnte er Göran Bomans Stimme im Flur hören.
|140| Das Wiedersehen war herzlich. Kurt Wallander war mehr als froh, Göran Boman wiederzusehen. Sie holten Kaffee und setzten sich in sein Zimmer. Wallander fiel auf, daß Göran Boman den gleichen Schreibtisch hatte wie er selbst. Aber ansonsten war Bomans Zimmer schöner eingerichtet. Ungefähr in dem Stil, in dem auch Anette Brolin ihr Büro eingerichtet hatte.
Göran Boman hatte natürlich von dem Doppelmord in Lenarp gehört, wie auch von dem Anschlag auf das Flüchtlingslager und Kurt Wallanders übertrieben geschildertem Rettungseinsatz. Sie unterhielten sich über Asylpolitik. Göran Boman hatte genau wie Kurt Wallander den Eindruck, daß die Aufnahme von Asylbewerbern chaotisch und unorganisiert war. Auch die Polizei in Kristianstad konnte viele Beispiele für Abschiebungsbeschlüsse nennen, die nur mit großer Mühe in die Tat umgesetzt werden konnten. Gerade erst eine Woche vor Weihnachten hatten sie die Aufgabe bekommen, einige Bulgaren abzuschieben. Nach den Informationen der Einwanderungsbehörde sollten sie sich in einem Lager in Kristianstad befinden. Erst nach mehreren Tagen intensiver Suche war es der Polizei gelungen herauszufinden, daß sich die Bulgaren in einem Lager im nordschwedischen Arjeplog aufhielten.
Danach gingen sie zu dem eigentlichen Grund des
Weitere Kostenlose Bücher