Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht
einen Mord am Hals zu haben.
All das ist innerhalb von fünf Tagen passiert.
Dann schrieb er seinen Bericht für Björk. Er beschloß, dafür zu sorgen, daß er ihn schon auf dem Flugplatz bekam.
Er gähnte. Es war Viertel vor vier. Er war einfach zu müde, um an seinen Vater zu denken. Er befürchtete nur, daß die Fürsorgerin im Krankenhaus keine gute Lösung finden würde.
Der Zettel mit dem Namen seiner Schwester klebte noch am Telefon. In ein paar Stunden, wenn der Tag begann, mußte er sie anrufen.
Er gähnte wieder und roch an seinen Achselhöhlen. Er stank. Im gleichen Moment tauchte Hansson in der halboffenen Tür auf.
Wallander begriff sofort, daß etwas geschehen war.
»Jetzt haben wir etwas«, sagte Hansson.
»Was?«
»Ein Mann aus Malmö hat angerufen und gesagt, daß sein Auto gestohlen worden ist.«
»Ein Citroën?«
Hansson nickte.
»Wie kommt es, daß er das ausgerechnet um vier Uhr morgens merkt.«
»Er sagt, daß er zu einer Messe nach Göteborg wollte.«
»Hat er den Diebstahl den Kollegen in Malmö gemeldet?«
Hansson nickte. Kurt Wallander griff nach dem Telefonhörer.
»Dann laß uns die Sache angehen«, sagte er.
Die Polizei in Malmö versprach, den Mann so schnell wie möglich zu verhören. Die Nummer des gestohlenen Autos, das Baujahr und die Farbe wurden bereits im ganzen Land verbreitet.
»BBM 160«, meinte Hansson. »Eine taubenblaue Kröte mit |214| weißem Dach. Wie viele von der Sorte gibt es wohl im Land? Hundert?«
»Wenn das Auto nicht vergraben worden ist, dann finden wir es jedenfalls.«
»Wann geht die Sonne auf?«
»In vier, fünf Stunden«, antwortete Hansson.
»Sobald es hell ist, brauchen wir einen Helikopter über dem Naherholungsgebiet. Dafür mußt du sorgen.«
Hansson nickte. Er wollte gerade den Raum verlassen, als ihm noch etwas einfiel, was er vor lauter Müdigkeit vergessen hatte zu sagen.
»Ach Mist! Da ist noch etwas.«
»Der Typ, der anrief und gesagt hat, daß sein Auto gestohlen worden ist. Der war Polizist.«
Kurt Wallander sah Hansson erstaunt an.
»Polizist? Was meinst du damit?«
»Ich meine, daß er Polizist war. Wie du und ich.«
|215| 11
Kurt Wallander ging in eine der Arrestzellen, um ein wenig zu schlafen. Nur mit großer Mühe gelang es ihm, den Weckmechanismus an seiner Armbanduhr einzustellen. Er gönnte sich zwei Stunden Ruhe. Als er von dem Piepen am Arm aufwachte, hatte er anhaltende Kopfschmerzen. Der erste, an den er dachte, war sein Vater. Er nahm ein paar Kopfschmerztabletten, die in einem Sanitätskasten im Schrank lagen, und spülte sie mit einer Tasse lauwarmem Kaffee hinunter. Danach stand er lange da und konnte sich nicht entscheiden, ob er zuerst duschen oder seine Schwester in Stockholm anrufen sollte. Letztendlich ging er in den Umkleideraum des Polizeipräsidiums und stellte sich unter die Dusche. Die Kopfschmerzen ließen langsam nach. Aber die Müdigkeit machte ihm schwer zu schaffen, als er in den Stuhl hinter seinem Schreibtisch sank. Es war Viertel nach sieben. Er wußte, daß seine Schwester morgens immer früh wach war. Sie antwortete auch schon beim ersten Klingelzeichen. Er brachte ihr so schonend wie möglich bei, was passiert war.
»Warum hast du nicht früher angerufen?« fragte sie aufgeregt. »Du mußt doch wohl gemerkt haben, was los ist?«
»Ich habe es wohl zu spät bemerkt«, antwortete er ausweichend.
Sie vereinbarten, nach dem Gespräch mit der Fürsorgerin des Krankenhauses zu entscheiden, wann sie nach Schonen kommen sollte.
»Wie geht es Mona und Linda?« fragte sie, als sich das Gespräch dem Ende näherte.
Ihm wurde klar, daß sie nichts von ihrer Trennung wußte.
|216| »Gut«, sagte er. »Ich ruf’ dich später wieder an.«
Dann fuhr er mit dem Auto zum Krankenhaus. Die Temperatur war wieder unter null Grad gesunken. Aus Südwest zog ein eisiger Wind über die Stadt.
Von einer Krankenschwester, die gerade den Bericht des Nachtpersonals hereingereicht bekam, erfuhr er, daß sein Vater während der Nacht unruhig geschlafen hatte. Aber wie es aussah, hatte er von seinem nächtlichen Spaziergang über die Felder keine körperlichen Schäden davongetragen.
Kurt Wallander beschloß, ihn erst nach dem Treffen mit der Fürsorgerin zu besuchen.
Kurt Wallander traute Fürsorgern nicht. Er hatte den Eindruck, daß die meisten Sozialarbeiter, die hinzugezogen wurden, wenn die Polizei junge Straftäter gefaßt hatte, falsche Vorstellungen davon hatten, was eigentlich getan werden
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