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Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht

Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht

Titel: Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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weniger Anhaltspunkte.
    Außerdem konnten sie von den Asylbewerbern unmöglich verlangen, das Haus nicht zu verlassen.
    Er schob den Ordner wieder weg und spannte ein Blatt in die Schreibmaschine ein.
    Es war fast halb eins. Er dachte, daß er genausogut jetzt wie zu einem anderen Zeitpunkt seinen Bericht an Björk schreiben konnte.
    |208| In diesem Moment wurde die Tür geöffnet, und Svedberg trat ins Zimmer.
    »Was Neues?« wollte Kurt Wallander wissen.
    »In gewisser Weise schon«, sagte Svedberg und sah bekümmert aus.
    »Was ist denn?«
    »Ich weiß nicht recht, wie ich es erklären soll. Aber wir haben gerade einen Anruf von einem Bauern draußen bei Löderup bekommen.«
    »Hat er den Citroën gesehen?«
    »Nein. Aber er sagt, daß dein Vater im Schlafanzug auf einem Feld herumläuft. Mit einem Koffer in der Hand.«
    Kurt Wallander war wie versteinert.
    »Was sagst du da?«
    »Der Typ, der anrief, schien mir völlig bei Sinnen. Er wollte eigentlich mit dir sprechen. Aber das Gespräch ist falsch verbunden worden und deshalb bei mir gelandet. Ich hab’ gedacht, daß du wohl selbst entscheiden mußt, was zu tun ist.«
    Kurt Wallander saß völlig regungslos und mit leerem Blick auf seinem Stuhl.
    Dann stand er auf.
    »Welches Feld?« fragte er.
    »Es scheint, als wäre dein Vater auf dem Weg zur Hauptstraße.«
    »Ich kümmere mich selbst darum und komme dann so schnell wie möglich zurück. Sieh zu, daß ich einen Wagen mit Funk bekomme, damit ihr mich erreichen könnt, wenn etwas ist.«
    »Willst du, daß ich oder einer von den anderen mitfährt?«
    Kurt Wallander schüttelte den Kopf.
    »Vater ist senil geworden«, sagte er. »Ich muß wohl versuchen, ihn in einem Heim unterzubringen.«
    Svedberg sorgte dafür, daß er die Schlüssel zu einem der mit Funk ausgerüsteten Wagen bekam.
    Als er durch die Tür hinaustreten wollte, entdeckte er einen |209| Mann, der im Schatten des Gebäudes stand. Er erkannte in ihm einen Journalisten, der für eine der Abendzeitungen arbeitete.
    »Ich will nicht, daß er mir folgt«, sagte er zu Svedberg.
    Svedberg nickte.
    »Warte, bis du mich zurücksetzen siehst und ich den Motor vor seinem Wagen abwürge. Dann kannst du fahren.«
    Kurt Wallander setzte sich ins Auto und wartete.
    Er sah den Journalisten rasch zu seinem eigenen Auto laufen. Dreißig Sekunden später kam Svedberg mit seinem Auto. Er stellte den Motor ab.
    Der Wagen blockierte dem Journalisten die Ausfahrt. Kurt Wallander fuhr davon.
    Er fuhr schnell. Viel zu schnell. Er ignorierte die Geschwindigkeitsbegrenzungen bei der Durchfahrt durch Sandskogen, war allerdings auch so gut wie allein auf der Straße. Aufgeschreckte Hasen flohen über den regennassen Asphalt.
    Als er zu dem Dorf kam, in dem sein Vater wohnte, brauchte er nicht lange nach ihm zu suchen. Die Autoscheinwerfer fingen ihn ein, wie er in seinem blaugestreiften Schlafanzug barfuß auf einem Feld herumstolperte. Auf dem Kopf trug er seinen alten Hut und in der einen Hand einen großen Koffer. Irritiert hob er die Hand vor die Augen, als er von den Scheinwerfern geblendet wurde. Dann ging er weiter. Energisch, so als sei er tatsächlich auf dem Weg zu einem genau bekannten Ziel.
    Kurt Wallander schaltete den Motor ab, ließ die Scheinwerfer allerdings an.
    Dann ging er auf das Feld hinaus.
    »Vater!« rief er. »Was zum Teufel machst du hier?«
    Sein Vater antwortete nicht, sondern ging einfach weiter. Kurt Wallander folgte ihm. Er stolperte und fiel hin, so daß er bis zum Bauch naß wurde.
    »Vater!« rief er noch einmal. »Bleib stehen! Wo willst du denn hin?«
    Keine Reaktion. Sein Vater schien das Tempo zu erhöhen. |210| Bald würden sie zur Hauptstraße gelangen. Kurt Wallander holte ihn laufend und stolpernd ein und packte ihn am Arm. Aber sein Vater riß sich los und setzte seinen Weg fort.
    Jetzt wurde Kurt Wallander wütend.
    »Hier spricht die Polizei«, brüllte er. »Wenn Sie nicht stehenbleiben, feuern wir Warnschüsse ab.«
    Augenblicklich blieb sein Vater stehen und wandte sich um. Kurt Wallander sah, wie er gegen das Scheinwerferlicht anblinzelte.
    »Was habe ich gesagt?« schrie er. »Du willst mich umbringen!«
    Dann warf er seinen Koffer nach Kurt Wallander. Der Koffer sprang auf und brachte seinen Inhalt, bestehend aus schmutziger Unterwäsche, Farbtuben und Pinseln, zum Vorschein.
    Kurt Wallander fühlte eine große Trauer in sich aufsteigen. Sein Vater war also tatsächlich in der verworrenen Vorstellung in die Nacht

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