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Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht

Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht

Titel: Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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mußte. Fürsorger waren weich und zu nachgiebig, wo sie seiner Meinung nach bestimmte Forderungen stellen sollten. Die zuständigen staatlichen Behörden hatten ihn schon mehr als einmal rasend gemacht, weil er fand, daß sie junge Straftäter durch ihre Nachsicht noch dazu ermunterten, auf der schiefen Bahn weiterzumachen.
    Aber vielleicht sind Krankenhausfürsorger anders, dachte er. Nachdem er kurz gewartet hatte, konnte er mit einer Frau reden, die um die Fünfzig war. Kurt Wallander beschrieb den plötzlichen Verfall. Wie unerwartet alles gekommen war, und wie hilflos er sich fühlte.
    »Vielleicht geht es wieder vorüber«, meinte die Fürsorgerin. »Manchmal können ältere Menschen von einer temporären Verwirrung erfaßt werden. Wird sie überwunden, ist eine regelmäßige Haushaltshilfe vielleicht ausreichend. Falls sich herausstellt, daß jemand wirklich chronisch senil ist, müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen.«
    Sie entschieden, daß sein Vater das Wochenende über im Krankenhaus bleiben sollte. Danach würde sie mit den Ärzten darüber sprechen, was weiterhin geschehen sollte.
    |217| Kurt Wallander stand auf. Die Frau, die er vor sich hatte, machte den Eindruck, als ob sie wisse, wovon sie sprach.
    »Es ist schwierig, sich dessen, was man tun soll, sicher zu sein«, sagte er.
    Sie nickte.
    »Nichts ist so schwierig, wie gezwungen zu sein, Eltern für unsere eigenen Eltern zu werden«, erwiderte sie. »Ich weiß. Meine eigene Mutter war am Ende so schwer zu versorgen, daß ich sie nicht mehr zu Hause behalten konnte.«
    Kurt Wallander ging zu seinem Vater, der in einem Vierbettzimmer untergebracht war. Alle Betten waren belegt: Ein Mann mit einem Gips, ein anderer hatte sich zusammengekauert, als ob er schwere Magenschmerzen hätte. Und Kurt Wallanders Vater lag da und sah an die Decke.
    »Wie geht es dir, Vater?« fragte er.
    Es dauerte etwas, bis der Vater antwortete.
    »Laß mich in Ruhe.«
    Die Antwort kam mit leiser Stimme. Von dem ansonsten schlechtgelaunten und vorwurfsvollen Ton in seiner Stimme war nichts mehr zu hören. Kurt Wallander hatte das Gefühl, daß die Stimme seines Vaters voller Trauer war.
    Er saß noch eine Weile auf der Bettkante. Dann ging er.
    »Ich komme wieder, Vater. Ich soll dich von Kristina grüßen.«
    Erfüllt von dem Gefühl seiner Machtlosigkeit, beeilte er sich, aus dem Krankenhaus herauszukommen. Der eisige Wind biß auf der Haut. Er hatte keine Lust, zum Polizeipräsidium zurückzufahren, und rief Hansson deshalb von dem rauschenden Autotelefon aus an.
    »Ich fahre nach Malmö«, sagte er. »Ist der Hubschrauber schon gestartet?«
    »Er sucht seit einer halben Stunde«, antwortete Hansson. »Bisher hat er nichts entdeckt. Wir haben auch zwei Hundestaffeln draußen. Wenn das verfluchte Auto wirklich in dem Naherholungsgebiet ist, finden wir es auch.«
    |218| Kurt Wallander fuhr nach Malmö. Der Berufsverkehr war gehetzt und dicht.
    Ständig wurde er von Fahrern, die riskant überholten, an den Straßenrand gedrängt.
    Ich hätte einen richtigen Streifenwagen nehmen sollen, dachte er. Aber vielleicht spielt selbst das heutzutage keine Rolle mehr?
    Es war Viertel nach neun, als er im Polizeipräsidium von Malmö das Zimmer betrat, in dem der Mann, dessen Auto gestohlen worden war, auf ihn wartete. Bevor er zu ihm hineinging, verständigte er sich mit dem Polizeibeamten, der die Anzeige wegen Diebstahls entgegengenommen hatte.
    »Stimmt es, daß er Polizist ist?« hatte Kurt Wallander gefragt.
    »Er ist es gewesen«, hatte der Polizeibeamte geantwortet. »Aber er ist vorzeitig pensioniert worden.«
    »Aus welchem Grund?«
    Der Beamte hatte mit den Schultern gezuckt.
    »Probleme mit den Nerven. Ich weiß nicht so genau.«
    »Kennst du ihn?«
    »Er war ein ziemlicher Einzelgänger. Obwohl wir zehn Jahre lang zusammengearbeitet haben, kann ich nicht behaupten, daß ich ihn kenne. Wenn ich es mal direkt sagen darf, glaube ich, daß ihn keiner richtig gekannt hat.«
    »Irgend jemand muß doch ein bißchen mehr über ihn wissen?«
    Der Polizist zuckte wieder mit den Schultern.
    »Ich werde versuchen, etwas herauszubekommen. Aber es kann doch schließlich jedem das Auto geklaut werden?«
    Kurt Wallander ging in das Zimmer und begrüßte den Mann, der Rune Bergman hieß. Er war 53   Jahre alt und vor vier Jahren pensioniert worden. Er war mager und hatte einen flackernden, unsteten Blick. An einem Nasenflügel hatte er eine Narbe, die von einem Messerstich stammen

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