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Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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ständig, die Ruhe zu bewahren.
    Als ihm nur noch zehn Minuten blieben, bis er das Archiv verlassen mußte, hatte er Baibas Akte immer noch nicht gefunden. Er hatte überhaupt nichts herausgefunden. Eine zunehmende Verzweiflung bemächtigte sich seiner, er war so weit gekommen und mußte sich dann doch seine Hilflosigkeit eingestehen. Er hatte keine Zeit mehr, systematisch weiterzusuchen. Jetzt konnte er nur noch ein letztes Mal an den Regalen entlanggehen und darauf hoffen, daß sein Instinkt ihn zur richtigen Stelle führen würde. Aber er wußte natürlich, daß kein Archiv der Welt nach einem intuitiven Katalogplan geordnet war, und war überzeugt, daß das ganze Unternehmen gescheitert war. Der Major war ein kluger Mann gewesen, allzu klug für Kurt Wallander von der Ystader Polizei.
    Wo, dachte er. Wo? Wenn dieses Archiv wie ein Kartenspiel ist, wo befindet sich dann die überzählige Karte, an den Seiten oder in der Mitte?
    Er wählte die Mitte, strich mit den Händen über eine Reihe brauner Mappen, und plötzlich war da eine blaue. Er riß die beiden braunen Mappen, die links und rechts standen, heraus. Die eine trug den Namen Leonard Blooms, die andere den Namen Baiba Kalns. Einen Augenblick verstand er gar nichts. Dann begriff er, daß Kalns Baibas Mädchenname sein mußte, und er zog die blaue Mappe heraus, die weder Namen noch Inventarisierungsnummern hatte. Er hatte keine Zeit, sie näher zu untersuchen. Die Zeit war abgelaufen. Er rannte zum Ausgangspunkt zurück, löschte das Licht und schloß die Tür |317| auf. Die Wache war nicht da, konnte aber Mikelis’ Zeitplan zufolge jeden Moment wieder zurück sein. Wallander lief den Flur entlang, hörte aber plötzlich die hallenden Schritte der Wache, die bereits auf dem Rückweg war. Der Fluchtweg war abgeschnitten, und Wallander war nun gezwungen, vom beschriebenen Weg abzuweichen, um auf eigene Faust nach draußen zu finden. Er rührte sich nicht, während die Wache im benachbarten Flur vorbeiging. Als die Schritte verklungen waren, dachte er, daß er zunächst einmal einen Weg aus dieser Unterwelt suchen mußte, der ihn wieder hinaufführte. Er suchte, fand schließlich eine Treppe und rief sich ins Gedächtnis, wie viele Treppenabsätze es bei seinem Abstieg gewesen waren. Als er wieder auf Höhe des Erdgeschosses war, fand er sich überhaupt nicht mehr zurecht. Auf gut Glück begann er, einen verlassenen Flur entlangzugehen.
    Der Mann, der ihn überraschte, hatte irgendwo gestanden und geraucht. Er mußte Wallanders näherkommende Schritte gehört, die Zigarette mit dem Absatz ausgedrückt und sich gefragt haben, wer denn so spät in der Nacht noch im Dienst war. Als Wallander um die Ecke bog, hatte der Mann nur wenige Meter von ihm entfernt gestanden. Seine Uniformjacke war aufgeknöpft gewesen. Er war um die vierzig, und als er Wallander mit seiner blauen Mappe sah, hatte er sofort begriffen, daß Wallander nichts im Polizeihauptquartier zu suchen hatte, er hatte seine Pistole gezogen und ihm auf lettisch etwas zugerufen. Wallander verstand nicht, was er sagte, hob aber die Arme über den Kopf. Der Mann redete weiter auf ihn ein, während er näher kam, die Pistole unablässig auf Wallanders Brustkorb gerichtet. Wallander wurde klar, daß der Polizist ihn dazu aufforderte, sich hinzuknien. Er gehorchte dem Befehl, die Hände nach wie vor über dem Kopf. Es gab keine Möglichkeit zu entkommen. Man hatte ihn geschnappt, und bald würde einer der Obersten hinzukommen und sich der blauen Mappe mit dem Testament des Majors bemächtigen.
    |318| Der Mann, der seine Pistole auf ihn richtete, rief ihm immer neue Fragen zu. In Wallander kroch die Angst hoch, hier im Flur niedergeschossen zu werden, ihm fiel nichts Besseres ein, als auf englisch zu antworten.
    »It is a mistake
«
, wiederholte er mehrmals mit sich überschlagender Stimme.
»It is a mistake, I am a policeman, too.«
    Aber es war natürlich kein Mißverständnis. Der Offizier befahl ihm, wieder aufzustehen, die Hände weiter über den Kopf zu halten, und bedeutete Wallander dann zu gehen. Ab und zu stieß er ihm den Lauf seiner Pistole in den Rücken.
    Erst als sie zum Aufzug kamen, bot sich Wallander eine Gelegenheit. Da hatte er eigentlich schon aufgegeben, hatte begriffen, daß es kein Entrinnen mehr gab. Widerstand war zwecklos. Der Offizier würde kaum zögern, ihn niederzuschießen. Aber als sie darauf warteten, daß der Aufzug kam und der Offizier sich halb von ihm abwandte, um sich

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