Wallander 02 - Hunde von Riga
dir das erzählt?«
»Ich hatte Glück, als ich die Küstenwache anrief. Der Typ, der dranging, fuhr auf einem der Zollboote, auf denen Österdahl Kapitän war.«
»Gut«, sagte Wallander. »Vielleicht kann er uns wirklich helfen.«
»Wenn er es nicht kann, dann kann es niemand«, antwortete Martinsson philosophisch. »Er wohnt draußen bei Sandhammaren. Ich dachte, ich hole ihn hierher, damit er sich das Boot ansehen kann. Gibt es sonst noch etwas Neues?«
Wallander berichtete, zu welchen Resultaten Mörth gekommen war. Martinsson hörte ihm aufmerksam zu.
»Das würde bedeuten, daß wir vielleicht mit der russischen Polizei zusammenarbeiten müssen«, meinte er, nachdem Wallander fertig war. »Kannst du Russisch?«
»Kein Wort. Aber es könnte auch bedeuten, daß wir uns mit der ganzen Sache nicht mehr befassen müssen.«
»Man soll die Hoffnung nie aufgeben.«
Martinsson schien plötzlich nachdenklich zu werden.
»Manchmal geht es mir wirklich so«, sagte er nach einer Weile. »Mit manchen Untersuchungen hätte ich am liebsten nichts zu tun, weil sie zu grausam sind, zu blutig und zu unwirklich. Als ich in der Ausbildung war, hat man uns nicht beigebracht, wie wir uns angesichts von gefolterten Leichen in Schlauchbooten zu verhalten haben. Es ist, als wären die Verbrechen mir weit voraus. Und dabei bin ich erst dreißig.«
Kurt Wallander hatte in den letzten Jahren oft dasselbe gedacht. Es war schwieriger geworden, Polizist zu sein. Sie lebten in einer Zeit, die sie mit Formen von Kriminalität konfrontierte, |41| für die es aus der Vergangenheit keinerlei Erfahrungswerte gab. Er wußte, es war ein Mythos, daß viele Polizisten ihren Beruf aus finanziellen Gründen aufgaben, um in den Wachdienst zu wechseln oder für private Unternehmen zu arbeiten. Die Wahrheit war, daß die meisten Polizisten ihren Beruf aus Unsicherheit aufgaben.
»Vielleicht sollten wir zu Björk gehen und eine Fortbildung für den Umgang mit gefolterten Menschen verlangen«, sagte Martinsson.
Wallander hörte, daß keine Spur von Zynismus in Martinssons Worten lag. Sie waren nur Ausdruck der gleichen Unsicherheit, die er bei sich selbst oft feststellte.
»Jede Generation von Polizisten scheint dasselbe zu sagen«, meinte er. »Wir bilden da offensichtlich keine Ausnahme.«
»Ich kann mich nicht erinnern, daß Rydberg sich jemals beklagt hätte.«
»Rydberg war eine Ausnahme. Aber bevor du gehst, wollte ich dich noch etwas fragen. Dieser Mann, der anrief. Es gab also keinen Hinweis darauf, daß er Ausländer war?«
Martinsson war sich seiner Sache sicher.
»Keinen. Er war Schone. Punktum.«
»Ist dir an dem Gespräch noch etwas aufgefallen?«
»Nein.«
Martinsson stand auf.
»Ich fahre jetzt nach Sandhammaren und sehe zu, daß ich Kapitän Österdahl finde«, sagte er.
»Das Boot steht im Keller«, sagte Wallander. »Viel Glück. Weißt du eigentlich, wo sich Svedberg herumtreibt?«
»Keine Ahnung. Ich weiß überhaupt nicht, womit er sich beschäftigt. Vielleicht ist er ja beim Wetterdienst.«
Kurt Wallander fuhr mit dem Auto ins Zentrum hinunter und aß zu Mittag. Die unwirkliche Nacht rief sich wieder in Erinnerung, und er begnügte sich mit einem Salat.
|42| Kurz vor Beginn der Pressekonferenz war er wieder im Polizeipräsidium. Auf einem Zettel hatte er sich ein paar Notizen gemacht und ging zu Björk.
»Ich hasse Pressekonferenzen«, sagte Björk. »Deshalb will ich auch nie Landespolizeichef werden. Aber das werde ich wohl sowieso nie.«
Gemeinsam gingen sie zu dem Raum, in dem die Pressekonferenz stattfinden sollte. Wallander erinnerte sich an das Gedrängel, als sie vor einem Jahr an dem Doppelmord von Lenarp ermittelten. Heute saßen nur drei Personen im Raum. Zwei Journalisten kannte er von früher, eine Frau von › Ystads Allehanda‹, die in der Regel ordentliche und klar formulierte Artikel schreib, und einen Mann aus der Lokalredaktion der Zeitung ›Arbete‹, den er bisher nur ein paarmal gesehen hatte. Dann war noch ein Mann im Raum. Er hatte kurzgeschnittenes Haar und trug eine Brille. Wallander hatte ihn noch nie zuvor gesehen.
»Wo ist ›Sydsvenskan‹?« zischelte Björk ihm ins Ohr. »›Skånska Dagbladet‹? Das Lokalradio?«
»Woher soll ich das wissen«, gab Wallander zurück. »Fang jetzt an.«
Björk stieg auf das Podium am Kopfende des Raumes. Er sprach stockend und nicht gerade mitreißend, und Wallander hoffte, er würde nicht länger sprechen als unbedingt nötig.
Dann war
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