Wallander 02 - Hunde von Riga
gewesen.
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Als Kurt Wallander am nächsten Morgen um kurz nach acht ins Polizeipräsidium kam, überschlugen sich die Ereignisse. Es war wieder wärmer geworden, und ein lautloser Nieselregen fiel auf die Stadt. Wallander hatte gut geschlafen, und die Beschwerden der vorherigen Nacht hatten sich nicht wieder eingestellt. Er fühlte sich ausgeruht. Nur die Frage, welcher Laune sein Vater wohl sein würde, wenn sie später zusammen nach Malmö fuhren, machte ihm zu schaffen.
Martinsson kam ihm im Flur entgegen. Wallander erkannte sofort, daß er ihm etwas Wichtiges mitzuteilen hatte. Wenn Martinsson zu unruhig war, um in seinem Büro zu bleiben, wußten alle, daß etwas passiert sein mußte.
»Kapitän Österdahl hat das Rätsel des Rettungsboots gelöst!« rief er. »Hast du Zeit?«
»Ich habe immer Zeit«, antwortete Wallander. »Wir gehen in mein Büro. Sieh nach, ob Svedberg auch gekommen ist.«
Ein paar Minuten später waren sie versammelt.
»Eigentlich sollten Menschen wie Kapitän Österdahl registriert werden«, begann Martinsson. »Die Polizei sollte eine Abteilung auf Landesebene einrichten, deren einzige Aufgabe darin besteht, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die ungewöhnliche Kenntnisse besitzen.«
Wallander nickte. Der Gedanke war ihm nicht neu. Überall im Land gab es Menschen, die über ein umfassendes Wissen auf den merkwürdigsten Gebieten verfügten. Allen im Gedächtnis war jener alte Holzfäller in Härjedalen, der vor einigen Jahren den Kronkorken einer asiatischen Biermarke identifizieren konnte, was weder der Polizei noch zahlreichen |49| Getränkehändlern gelungen war. So wurde ein Mörder überführt, der sonst wahrscheinlich davongekommen wäre.
»Lieber jemand wie Kapitän Österdahl als diese Berater, die für horrende Honorare Banalitäten preisgeben«, fuhr Martinsson fort. »Kapitän Österdahl war es eine Freude, uns helfen zu können.«
»Und das konnte er?«
Martinsson zog einen Notizblock aus der Tasche und knallte ihn auf den Tisch; er machte ein Gesicht, als hätte er ein Kaninchen aus einem unsichtbaren Hut gezaubert. Wallander mißfiel dieses Verhalten. Manchmal konnte Martinsson einem mit seinem dramatischen Gesten auf die Nerven gehen. Aber vielleicht trat ein angehender Kommunalpolitiker der Liberalen Partei nun mal so auf, fuhr es ihm durch den Kopf.
»Wir sind ganz Ohr«, sagte Wallander nach kurzem Schweigen.
»Nachdem ihr gestern abend nach Hause gegangen wart, haben Kapitän Österdahl und ich zusammen ein paar Stunden bei dem Rettungsboot im Keller verbracht«, sagte Martinsson. »Früher ging es nicht, weil er nachmittags regelmäßig Bridge spielt. Er weigerte sich kategorisch, für uns eine Ausnahme zu machen. Kapitän Österdahl ist ein sehr entschlossener älterer Herr. Ich würde mir wünschen, selbst einmal so zu werden, wenn ich in die Jahre komme.«
»Komm endlich zur Sache«, ermahnte Wallander. Er wußte genug über entschlossene ältere Herren. Er hatte seinen Vater als lebendiges Beispiel.
»Er ist wie ein Hund um das Boot gestrichen«, fuhr Martinsson fort. »Er hat sogar daran gerochen. Anschließend hat er verkündet, daß es mindestens zwanzig Jahre alt und in Jugoslawien hergestellt worden sei.«
»Woher konnte er das so genau wissen?«
»Die Herstellungsart. Die Materialmischung. Als er alles überprüft hatte, gab es für ihn keinen Zweifel mehr. Seine |50| Anmerkungen stehen hier auf dem Block. Ich liebe Menschen, die wissen, worüber sie sprechen.«
»Warum gibt es keine Bezeichnung an dem Schlauchboot, die auf das Herstellungsland Jugoslawien hindeutet?«
»Nicht Schlauchboot«, erwiderte Martinsson. »Das hat Kapitän Österdahl mir als erstes beigebracht. Es heißt Rettungsboot und nichts anderes. Und für die Tatsache, daß es keine Bezeichnung hatte, die auf Jugoslawien hindeutet, hatte er eine sehr einleuchtende Erklärung. Die Jugoslawen liefern ihre Rettungsboote oft nach Griechenland oder Italien. Dort gibt es Unternehmen, von denen die Rettungsboote mit falschen Herstellungsangaben versehen werden. Das funktioniert nach dem gleichen Prinzip, nach dem viele Uhren zwar in Asien hergestellt werden, aber europäische Markennamen tragen.«
»Was hat er noch erzählt?«
»Viel. Ich glaube, daß ich die Geschichte des Rettungsbootes auswendig kann. Schon vor langer Zeit, im Altertum, gab es unterschiedliche Arten von Rettungsbooten. Die ersten Varianten scheinen aus Schilf hergestellt worden zu sein. Aber der Typ, mit
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