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Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Beide wählten das Tagesgericht, gekochten Dorsch. Kurt Wallander beobachtete seinen Vater, während sie aßen, und dachte, daß er ihn wohl niemals wirklich kennenlernen würde, bevor es zu spät war. Früher hatte er immer geglaubt, ihm in keiner Weise ähnlich zu sein. Aber in den letzten Jahren waren ihm immer stärkere Zweifel gekommen. Seine Ex-Frau Mona hatte ihm häufig vorgeworfen, dieselbe anstrengende Eigensinnigkeit und pedantische Egozentrik zu besitzen. Vielleicht will ich die Gemeinsamkeiten einfach nicht wahrhaben, überlegte er. Vielleicht |56| habe ich Angst, so zu werden wie er? Ein Dickkopf, der nur das sieht, was er sehen will?
    Auf der anderen Seite wußte er, daß Starrsinn für einen Polizisten von Vorteil war. Ohne eine gewisse Hartnäckigkeit, die von Außenstehenden als übertrieben empfunden wurde, wären viele der von ihm geleiteten Ermittlungen im Sande verlaufen. Hartnäckigkeit war also keine Berufskrankheit, sondern vielmehr eine entscheidende Voraussetzung für seinen Beruf.
    »Warum sagst du nichts?« unterbrach sein Vater verstimmt seine Gedanken.
    »Entschuldigung. Ich habe bloß nachgedacht.«
    »Ich will nicht mit dir essen gehen, wenn du nicht mit mir redest.«
    »Was willst du denn hören?«
    »Du könntest ja mal erzählen, wie es dir geht. Wie es deiner Tochter geht. Du könntest mir auch erzählen, ob du ein neues Frauenzimmer gefunden hast.«
    »Frauenzimmer?«
    »Trauerst du etwa immer noch Mona hinterher?«
    »Ich trauere nicht. Aber das heißt nicht, daß ich ein neues Frauenzimmer gefunden habe, wie du das ausdrückst.«
    »Warum nicht?«
    »Es ist nicht so einfach, eine neue Frau zu finden.«
    »Wie stellst du es denn an?«
    »Wie meinst du das?«
    »Ist das denn so schwer zu verstehen? Ich frage doch nur, wie du es anstellst, eine neue Frau zu finden!«
    »Ich gehe nicht tanzen, falls du das meinst.«
    »Ich meine gar nichts. Ich frage bloß. Ich finde, daß du von Jahr zu Jahr verschrobener wirst.«
    Kurt Wallander legte die Gabel zur Seite.
    »Verschrobener?«
    »Du hättest auf mich hören sollen. Du hättest niemals Polizist werden dürfen.«
    |57| Jetzt geht das wieder los, dachte Kurt Wallander. Das wird sich nie ändern   …
    Der Geruch von Terpentin. Ein kalter und eisiger Tag 1967.
Sie wohnen noch in der umgebauten Schmiede außerhalb von Limhamn. Aber bald wird er dort weggehen. Da er auf den Brief gewartet hat, ist er sofort zum Briefkasten gelaufen, als er den Wagen des Briefträgers sah. Hat das Kuvert aufgerissen und die ersehnte Bestätigung gelesen. Er ist auf der Polizeischule angenommen worden und wird im Herbst anfangen. Er läuft zurück und reißt die Tür zu dem kleinen Zimmer auf, in dem sein Vater malt. »Ich habe einen Platz an der Polizeischule!« ruft er. Aber sein Vater gratuliert ihm nicht, legt nicht einmal den Pinsel zur Seite, sondern malt einfach weiter. Er erinnert sich noch heute daran, daß sein Vater gerade die von der untergehenden Sonne rotgefärbten Wolken malte. Und er hatte begriffen, daß er eine Enttäuschung für ihn war, weil er Polizist werden wollte.
    Der Kellner kam und räumte den Tisch ab. Kurz darauf kehrte er mit zwei Kaffeetassen zurück.
    »Eins habe ich nie verstanden«, sagte Kurt Wallander. »Warum hattest du etwas dagegen, daß ich Polizist werden wollte.«
    »Du hast getan, was du wolltest.«
    »Das ist keine Antwort auf meine Frage.«
    »Ich hätte eben nie gedacht, daß mein Sohn nach Hause kommen und sich an den Tisch setzen würde, während ihm noch die Leichenwürmer aus den Hemdsärmeln kriechen.«
    Kurt Wallander erschrak über diese Antwort. Leichenwürmer aus den Hemdsärmeln?
    »Wie meinst du das?« wollte er wissen.
    Aber sein Vater antwortete nicht. Er leerte die Tasse mit dem lauwarmen Kaffee.
    »Jetzt bin ich fertig«, sagte er. »Wir können fahren.«
    Kurt Wallander bat um die Rechnung und bezahlte.
    Ich werde niemals eine Antwort bekommen, dachte er. Ich |58| werde niemals begreifen, warum es ihm dermaßen mißfällt, daß ich Polizist geworden bin.
    Sie fuhren nach Löderup zurück. Es war windiger geworden. Sein Vater trug die Leinwände und Farben in die Werkstatt.
    »Wollen wir nicht bald wieder Karten spielen?« fragte er.
    »Ich komme in ein paar Tagen vorbei«, antwortete Wallander.
    Dann machte er sich auf den Weg nach Ystad. Er wußte nicht, ob er wütend oder entrüstet sein sollte.
Leichenwürmer aus den Hemdsärmeln?
Wie hatte er das bloß gemeint?
    Es war Viertel vor eins, als

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