Wallander 02 - Hunde von Riga
Gelegenheiten wird ein Justizminister hinters Licht geführt. Aber meistens ist es der schwedische Steuerzahler, der nicht mehr als einen Bruchteil von dem erfährt, was wirklich hinter den Kulissen geschieht.«
Wallander verstand sehr gut, was Björk meinte. Die zahlreichen politischen Skandale der letzten Jahre hatten die bis dahin unsichtbaren Tunnelsysteme des Staatsapparats ans Licht gebracht. Tunnel, die verschiedene Ministerien und Institutionen miteinander verbanden. Was früher nur Ahnungen gewesen waren oder als sektiererische Wahnvorstellung galt, hatte sich inzwischen bewahrheitet. Die eigentliche Macht wurde größtenteils in schwach beleuchteten, geheimen Gängen ausgeübt und war so der Kontrolle entzogen, dem grundlegenden Merkmal jedes Rechtsstaates.
Es klopfte an die Tür. Björk rief Herein. Es war Svedberg, der eine Abendzeitung in der Hand hielt.
»Ich dachte, das würde euch interessieren.«
Wallander zuckte zusammen, als er die Titelseite der Zeitung sah. In fetten Schlagzeilen teilte die Zeitung mit, daß an der schonischen Küste ein sensationeller Leichenfund gemacht worden war. Björk sprang von seinem Stuhl auf und riß die Zeitung an sich. Dann lasen sie jeweils über die Schulter des anderen gebeugt. Zu seinem Entsetzen sah Wallander sein eigenes, mitgenommenes Gesicht auf einem verschwommenen Foto. Das muß während der Ermittlungen zu den Lenarp-Morden gemacht worden sein, fuhr es ihm durch den Kopf.
Die Ermittlungen werden von Kriminalinspektor Knut Wallmann geleitet.
In der Bildunterschrift stimmte weder Name noch Dienstgrad. Björk schmiß die Zeitung zur Seite. Auf seiner Stirn zeigte sich der rote Fleck, der bei ihm immer einen Wutanfall ankündigte. Svedberg zog sich diskret in Richtung Tür zurück.
»Hier steht einfach alles«, sagte Björk. »Als wäre es von dir |62| persönlich geschrieben worden, Wallander, oder von dir, Svedberg. Die Zeitung weiß, daß das Außenministerium eingeschaltet worden ist, daß der Landespolizeichef die Entwicklung verfolgt. Sie wissen sogar, daß es sich um ein jugoslawisches Rettungsboot handelt. Da wissen sie mehr als ich. Stimmt das?«
»Es stimmt«, antwortete Wallander. »Martinsson hat es mir heute morgen erzählt.«
»Heute morgen? Mein Gott! Wann wird diese Scheißzeitung eigentlich gedruckt?«
Björk marschierte durch das Zimmer. Wallander und Svedberg warfen sich einen Blick zu. Wenn Björk aus der Fassung geriet, konnte er sich in endlosen Litaneien verlieren.
Björk schnappte sich erneut die Zeitung und las laut:
» ›Sowjetische Todespatrouillen. Das neue Europahat Schweden für eine Kriminalität mit politischen Dimensionen geöffnet.‹
Was meinen die damit? Kann mir das einer von euch erklären ? Wallander?«
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Meiner Meinung nach ist es am besten, wenn man darauf pfeift, was in den Zeitungen steht.«
»Wie soll man darauf pfeifen können? Ab jetzt werden wir von der Presse belagert werden.«
Als habe er damit eine Prophezeiung ausgesprochen, klingelte im gleichen Augenblick das Telefon. Am Apparat war ein Journalist von ›Dagens Nyheter‹, der einen Kommentar haben wollte. Björk legte die Hand über die Sprechmuschel.
»Wir müssen noch eine Pressekonferenz einberufen«, sagte er. »Oder sollen wir erst eine Pressemitteilung rausschicken? Was ist am besten? Was meint ihr?«
»Sowohl als auch«, schlug Wallander vor. »Aber warte mit der Pressekonferenz bis morgen. Vielleicht hat der Mann vom Außenministerium noch interessante Neuigkeiten.«
Björk gab dem Journalisten Bescheid und beendete das Gespräch, ohne eine einzige Frage zu beantworten. Svedberg |63| verließ das Zimmer. Björk und Wallander verfaßten gemeinsam eine kurze Pressemitteilung. Als Wallander Anstalten machte zu gehen, bat Björk ihn noch zu bleiben.
»Wir müssen etwas gegen diese undichte Stelle unternehmen«, sagte Björk. »Ich war offensichtlich viel zu naiv. Mir ist eingefallen, daß du dich schon letztes Jahr beschwert hast, als du mit den Mordfällen von Lenarp beschäftigt warst. Ich muß gestehen, daß ich damals dachte, du übertreibst. Bleibt die Frage, was ich tun soll.«
»Ich frage mich, ob man da überhaupt etwas machen kann«, wandte Wallander ein. »Das habe ich wohl schon letztes Jahr begriffen. Ich glaube, wir müssen lernen, damit zu leben.«
»Ich freue mich heute schon auf den Tag, an dem ich endlich in Pension gehen kann«, meinte Björk nach einer Weile nachdenklichen
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