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Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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seinem Gespräch mit Martinsson. Aber jetzt wußte er, wie groß die Besatzung war. Sie waren zu zweit gewesen. Nicht zu dritt oder viert, sondern zu zweit. Und es war der andere Mann, vor dem er solche Angst hatte.
    »Niemand hat angerufen«, sagte Wallander. »Ist das hier Ihr Boot?«
    |74| »Was spielt das für eine Rolle?«
    Wallander fing noch einmal von vorne an. Es war sich nun sicher, daß der Mann nichts mit den beiden Leichen zu tun hatte, abgesehen davon, daß er an Bord des Kutters gewesen war, von dem aus das Rettungsboot gesichtet und in Richtung Land geschleppt worden war. Dies vereinfachte die Situation, auch wenn er nach wie vor nicht verstehen konnte, warum der Zeuge solche Angst hatte.
Wer war der andere Mann?
    Schmuggler, fuhr es ihm plötzlich durch den Kopf. Schlepper oder Schnapsschmuggler. Dieses Boot hier wird zum Schmuggeln verwendet. Deshalb kann ich hier auch keinen Fisch riechen.
    »Haben Sie ein Schiff in der Nähe gesehen, als Sie das Boot entdeckt haben?«
    »Nein.«
    »Sind Sie sich da völlig sicher?«
    »Ich sage nur, was ich auch sicher weiß.«
    »Aber Sie haben gesagt, daß Sie nachgedacht haben?«
    Seine Antwort kam sehr bestimmt.
    »Das Boot hat eine Zeitlang im Wasser gelegen. Es kann also nicht gerade erst ins Wasser geworfen worden sein.«
    »Warum nicht?«
    »Es war schon ein wenig mit Algen besetzt.«
    Daran konnte sich Wallander nicht erinnern.
    »Als wir es gefunden haben, gab es aber keine Spuren von Algen.« Der Mann dachte nach.
    »Die wurden wohl abgespült, als ich es an Land geschleppt habe. Das Boot lag so, daß es auf der Heckwelle tanzte.«
    »Was meinen Sie, wie lange hat es im Wasser gelegen?«
    »Eine Woche vielleicht. Das ist schwer zu sagen.«
    Wallander saß da und beobachtete den Mann. Seine Augen flackerten unruhig. Wallander hatte außerdem den Eindruck, daß er die ganze Zeit über angespannt lauschte.
    »Haben Sie noch mehr zu sagen?« fragte Wallander. »Alles kann von Bedeutung sein.«
    |75| »Ich glaube, das Boot ist aus dem Baltikum hergetrieben.«
    »Wie kommen Sie darauf? Wieso nicht aus Deutschland?«
    »Ich kenne die Gewässer hier. Ich glaube, das Boot kam aus dem Baltikum.«
    Wallander versuchte, sich eine Karte zu vergegenwärtigen.
    »Das ist ein weiter Weg«, sagte er. »An der ganzen polnischen Küste entlang, mitten durch deutsche Hoheitsgewässer. Ich kann mir kaum vorstellen, daß das stimmt.«
    »Während des Zweiten Weltkrieges sind Minen mitunter in sehr kurzer Zeit sehr weit getrieben. Der kräftige Wind in der letzten Zeit könnte es möglich gemacht haben.«
    Das Licht der Petroleumlampe wurde plötzlich schwächer.
    »Mehr habe ich nicht zu sagen«, meinte der Mann und faltete die schmutzige Seekarte zusammen. »Sie wissen hoffentlich noch, was Sie mir versprochen haben?«
    »Ich weiß, was ich versprochen habe. Aber ich habe noch eine Frage: Warum hatten Sie solche Angst, mich zu treffen? Warum mitten in der Nacht?«
    »Ich habe keine Angst«, erwiderte der Mann. »Und selbst wenn ich welche hätte, wäre das meine Sache. Ich habe meine Gründe.«
    Der Mann schob die Karte in ein Fach direkt unter dem Steuer. Wallander versuchte, sich noch eine Frage einfallen zu lassen, bevor es zu spät war.
    Keiner von ihnen bemerkte die schwache Bewegung im Rumpf des Bootes. Es war ein Schaukeln, so leicht, daß es unbeachtet vorübergehen konnte, wie der Nachklang einer Dünung, die erst jetzt das Land erreichte.
    Wallander kletterte wieder aus dem Maschinenraum heraus. Schnell ließ er die Taschenlampe über die Wände des Ruderhauses spielen. Er konnte nichts erkennen, was ihm bei einer späteren Gelegenheit helfen würde, das Fischerboot zu identifizieren.
    »Wie kann ich Sie erreichen, falls das notwendig sein sollte?« fragte er, als sie wieder auf dem Kai standen.
    |76| »Das können Sie nicht«, sagte der Mann. »Es wird auch nicht nötig sein. Ich habe nichts mehr zu sagen.«
    Wallander zählte seine Schritte, als er den Kai entlangging. Als er den Fuß zum dreiundsiebzigsten Mal aufsetzte, spürte er den Schotter des Hafenplatzes unter seinen Füßen. Der Mann war von der Dunkelheit verschluckt worden. Er hatte die Taschenlampe genommen und war dann verschwunden, ohne ein Wort zu sagen. Wallander wartete einige Minuten. Für einen kurzen Moment meinte er einen Schatten erkennen zu können, der sich in der Dunkelheit bewegte. Aber das war natürlich nur Einbildung. Dann begriff er, daß er offensichtlich zuerst fahren sollte. Als

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