Wallander 02 - Hunde von Riga
Auch Rönnlunds Sympathie hatte sein Selbstbewußtsein gestärkt. Er berichtete von dem Telefonanruf und seinem Besuch auf dem Fischerboot in Brantevik. Insbesondere unterstrich er die entschiedene Aussage des Mannes, das Boot könne tatsächlich aus dem Baltikum herübergetrieben sein. In einem Anfall unerwarteter Tatkraft rief Björk die Telefonzentrale an und bat jemanden, unverzüglich übersichtliche und detaillierte Karten von dem gesamten in Frage kommenden Gebiet zu besorgen. Vor seinem inneren Auge konnte Wallander sehen, wie Ebba sich den nächstbesten Polizeibeamten griff, der an der Zentrale vorbeikam, und ihm Bescheid gab, sofort die entsprechenden Karten zu besorgen. Er goß sich noch etwas Kaffee ein und ging dazu über, seine Theorien darzulegen.
»Alles deutet darauf hin, daß die Männer an Bord eines Schiffes ermordet wurden«, sagte er. »Dafür, daß ihre Leichen nicht im Meer versenkt wurden, kann ich nur eine denkbare Erklärung finden: der oder die Mörder wollten, daß die Leichen gefunden werden. Dafür wiederum kann ich allerdings kaum eine plausible Erklärung finden, niemand konnte voraussehen, wann und wo das Boot an die Küste getrieben würde. Die Männer sind jedenfalls durch Schüsse aus nächster Nähe ermordet worden, nachdem man sie zuvor gefoltert hatte. Menschen foltert man, um sich an ihnen zu rächen oder um Informationen zu bekommen. Das nächste auffällige Indiz, das wir nicht aus den Augen verlieren dürfen, ist die Tatsache, daß beide Männer unter Einfluß von Drogen standen, Amphetamin, um genau zu sein. Rauschgift ist also in irgendeiner Form Teil der ganzen Geschichte. Außerdem habe ich den Eindruck, daß die Männer wohlhabend gewesen sind. Ihre Kleidung deutet darauf hin. Mit osteuropäischem Maß gemessen, müssen sie sogar sehr wohlhabend gewesen sein, |82| wenn sie es sich leisten konnten, solche Anzüge und Schuhe zu kaufen. Ich könnte mir das nicht leisten.«
Sein letzter Kommentar ließ Lovén lauthals auflachen. Birgitta Törn aber starrte weiterhin verbissen auf den Tisch.
»Wir wissen also eine ganze Menge«, fuhr Wallander fort, »auch wenn wir die einzelnen Teile nicht zu einem Bild zusammenfügen können, das den Tathergang und das Motiv für die Morde erklärt. Wir müssen jetzt vorrangig die Identität der Männer feststellen. Darauf müssen wir uns konzentrieren, und auf eine schnelle ballistische Untersuchung der Kugeln. Ich will eine vollständige Aufstellung vermißter oder gesuchter Personen in Schweden und Dänemark. Die Fingerabdrücke, Fotografien und Personenbeschreibungen sollen unverzüglich via Interpol verschickt werden. Vielleicht finden wir auch etwas in unserer Verbrecherkartei? Außerdem muß natürlich die baltische sowie die sowjetische Polizei unmittelbar kontaktiert werden, wenn dies nicht schon geschehen ist. Aber das kann Birgitta Törn vielleicht beantworten?«
»Es wird im Laufe des Tages geschehen«, sagte sie. »Wir werden Kontakt mit dem Dezernat für internationale Fragen bei der Moskauer Polizei aufnehmen.«
»Die Polizei in Estland, Lettland und Litauen muß auch benachrichtigt werden.«
»Das geschieht durch Moskau.«
Wallander sah sie fragend an. Dann wandte er sich an Björk.
»Hatten wir nicht letzten Herbst eine Studiendelegation der litauischen Polizei hier?«
»Es wird wohl so sein, wie Birgitta Törn sagt«, antwortete Björk. »Es gibt natürlich eine nationale Polizei in diesen Staaten. Aber es ist nach wie vor die Sowjetunion, die offiziell die Entscheidungsgewalt hat.«
»Ich frage mich, ob das wirklich so stimmt«, meinte Wallander. »Aber das weiß das Außenministerium wohl besser als ich.«
»Ja«, sagte Birgitta Törn. »Das tun wir wohl.«
|83| Die Besprechung wurde von Björk beendet, der anschließend mit Birgitta Törn verschwand. Eine Pressekonferenz war für zwei Uhr nachmittags angesetzt worden.
Wallander blieb noch etwas im Konferenzraum. Gemeinsam mit den anderen ging er die Aufgaben durch, die vor ihnen lagen. Svedberg holte die Plastiktüte mit den beiden Pistolenkugeln, und Lovén übernahm es, sich um die ballistische Untersuchung zu kümmern und sie etwas zu beschleunigen. Die anderen teilten sich die umfangreiche Arbeit, die Vermißten- und Verbrecherkartei zu durchkämmen. Martinsson, der ein paar persönliche Kontakte zur Kopenhagener Polizei hatte, erklärte sich bereit, Verbindung mit den Kollegen auf der anderen Seite des Sundes aufzunehmen.
»Um die Pressekonferenz
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