Wallander 02 - Hunde von Riga
braucht ihr euch nicht zu kümmern«, sagte Wallander abschließend. »Die muß nur Björk und mir Kopfzerbrechen bereiten.«
»Sind die hier genauso unangenehm wie in Stockholm?« wollte Rönnlund wissen.
»Ich weiß ja nicht, wie Pressekonferenzen in Stockholm ablaufen«, antwortete Wallander. »Aber Spaß machen sie hier beim besten Willen nicht, das kann ich euch versichern.«
Der Rest des Tages verging damit, die Personenbeschreibungen an sämtliche Polizeidistrikte des Landes und die übrigen skandinavischen Länder zu schicken. Zudem mußten sie noch eine ganze Reihe verschiedener Karteien durchsehen. Schon bald war klar, daß die Fingerabdrücke der Ermordeten weder bei der schwedischen noch bei der dänischen Polizei registriert waren. Interpol würde noch etwas Zeit benötigen, bevor mit einer Antwort zu rechnen war. Wallander und Lovén diskutierten längere Zeit die Frage, ob die ehemalige DDR mittlerweile schon zu einem vollwertigen Mitglied von Interpol geworden war oder nicht. Waren ihre Verbrecherkarteien in ein neues, zentrales Computernetz überführt worden, welches das gesamte wiedervereinigte Deutschland abdeckte? Wo verlief die Grenze zwischen dem umfangreichen Archiv |84| der Stasi und einer möglicherweise vorhandenen Kartei der Kriminalpolizei? Hatte es überhaupt eine solche Grenze gegeben?
Lovén übernahm es, dies herauszufinden, während Wallander die Pressekonferenz vorbereitete.
Als er vor Beginn der Pressekonferenz Björk traf, merkte er, daß der sich reserviert gab.
Warum sagt er jetzt nichts? dachte Wallander. Wenn er schon meint, daß ich mich der schicken Dame vom Außenministerium gegenüber unverschämt verhalten habe.
Eine große Zahl von Journalisten und Vertreter anderer Medien hatte sich in dem Raum versammelt, in dem die Pressekonferenz abgehalten werden sollte. Wallander blickte sich suchend nach dem jungen Mann von ›Expressen‹ um, ohne ihn entdecken zu können. Wie üblich war es Björk, der die Einleitung übernahm. Mit unerwarteter Heftigkeit griff er die
unbegreiflichen Unglaubwürdigkeiten,
wie er es nannte, die in der Presse verbreitet worden seien, an. Wallander dachte an sein nächtliches Treffen mit dem verängstigten Mann in Brantevik. Als er an der Reihe war, wiederholte er zunächst seine Aufforderung an die Öffentlichkeit, sich mit eventuellen Beobachtungen an die Polizei zu wenden.
Als einer der Journalisten sich erkundigte, ob noch keine Hinweise eingelaufen seien, antwortete er, daß sie bisher noch keine Hinweise erhalten hätten. Die Pressekonferenz verlief erstaunlich schleppend, und Björk war zufrieden, als sie den Raum verließen.
»Was macht die Dame vom Außenministerium?« fragte Wallander, als sie den Flur entlanggingen.
»Sie hängt die meiste Zeit am Telefon«, antwortete Björk. »Du bist wahrscheinlich der Meinung, daß wir ihre Gespräche abhören sollten?«
»Das wäre vielleicht gar keine so dumme Idee«, brummte Wallander.
Der Tag verging, ohne daß etwas Aufsehenerregendes geschah. |85| Jetzt galt es, die Geduld zu bewahren und abzuwarten, ob jemand an die Köder, die sie ausgelegt hatten, anbiß.
Kurz vor sechs steckte Martinsson seinen Kopf durch die Tür zu Wallanders Büro und fragte ihn, ob er Lust hätte, bei ihm daheim zu Abend zu essen. Er hatte Lovén und Rönnlund zu sich eingeladen, die beide an Heimweh zu leiden schienen.
»Svedberg hatte schon etwas anderes vor«, sagte er. »Birgitta Törn hat gesagt, daß sie heute abend nach Malmö fahren will. Hast du Lust zu kommen?«
»Ich habe keine Zeit«, antwortete Wallander. »Ich habe heute abend leider schon etwas anderes vor.«
Das stimmte nur zum Teil. Er hatte sich noch nicht endgültig entschlossen, an diesem Abend nach Brantevik hinauszufahren, um das Fischerboot genauer zu inspizieren.
Gegen halb sieben führte er das tägliche Telefongespräch mit seinem Vater. Wallander erhielt von ihm den Auftrag, bei seinem nächsten Besuch ein neues Kartenspiel mitzubringen. Sobald er das Gespräch beendet hatte, verließ er das Polizeipräsidium. Der Wind war schwächer geworden, und der Himmel war klar. Auf dem Heimweg hielt er an einem Lebensmittelgeschäft und kaufte etwas zu essen. Um acht, als er gegessen hatte und darauf wartete, daß der Kaffee fertig war, hatte er sich immer noch nicht entschieden, ob er nach Brantevik hinausfahren sollte oder nicht. Er dachte, daß dies ebenso gut noch bis zum nächsten Tag warten konnte. Außerdem war er noch müde
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