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Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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eigentlich eher an das Viertel, in dem Major Liepa wohnte. Er ist spät abends aus dem Haus gegangen. Jemand kann gehört haben, wie eine Tür zuschlug, und neugierig geworden sein, wer so spät noch draußen ist. Ein Auto kann angehalten haben. Man findet fast immer jemanden, der etwas beobachtet oder gehört hat, wenn man nur lange genug sucht.«
    Murniers nickte.
    |174| »Wir sind gerade dabei«, sagte er. »In diesem Moment klappern mehrere Polizisten mit einem Foto von Major Liepa die umliegenden Treppenhäuser ab.«
    »Ist das nicht ein bißchen sehr spät? Menschen vergessen schnell oder verwechseln die Uhrzeit und Tage. Major Liepa ging in seinem Treppenhaus schließlich täglich ein und aus.«
    »Manchmal kann es auch von Vorteil sein zu warten«, meinte Murniers. »Als das Gerücht von Major Liepas Tod sich verbreitete, hatten die Leute alles mögliche gesehen. Zumindest bildeten sie sich das ein. Der Zeitraum von ein paar Tagen kann die Menschen zum Nachdenken bewegen, so daß sie Einbildungen von wirklichen Beobachtungen unterscheiden können.«
    Wallander mußte zugeben, daß Murniers damit recht haben konnte. Aber die Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß es besser war, mögliche Zeugen innerhalb weniger Tage zweimal zu befragen.
    »Ist Ihnen noch mehr unklar?« fragte Murniers.
    »Welche Kleidung trug Major Liepa?«
    »Welche Kleidung er trug?«
    »Trug er seine Uniform oder war er in Zivil?«
    »Er trug Uniform. Seiner Frau sagte er, er müsse zum Dienst.«
    »Was fand man in seinen Taschen?«
    »Zigaretten und Streichhölzer, etwas Kleingeld, einen Stift. Nichts, was nicht dort hingehört hätte. Es fehlte auch nichts. In der Brusttasche steckte sein Ausweis. Seine Brieftasche hatte er zu Hause gelassen.«
    »Hatte er eine Dienstwaffe dabei?«
    »Major Liepa zog es vor, nur dann eine Waffe zu tragen, wenn die unmittelbare Gefahr bestand, daß er sie anwenden mußte.«
    »Wie kam Major Liepa normalerweise hierher?«
    »Er hatte selbstverständlich einen Wagen mit Fahrer. Aber er kam oft zu Fuß, weiß der Teufel, warum.«
    |175| »In Baiba Liepas Vernehmungsprotokoll steht, daß sie sich nicht erinnern kann, ein Auto auf der Straße gehört zu haben.«
    »Natürlich. Er sollte ja auch keinen Dienst tun. Er ist hereingelegt worden.«
    »Das wußte er zu dem Zeitpunkt aber noch nicht. Da er nicht nach Hause zurückkehrte, muß er angenommen haben, daß mit dem Auto etwas nicht in Ordnung ist. Was hat er dann wohl getan?«
    »Er ging vermutlich zu Fuß. Aber das wissen wir nicht mit Sicherheit.«
    Wallander fielen keine weiteren Fragen ein. Aber das Gespräch mit Murniers hatte ihn in seiner Auffassung bestärkt, daß die Ermittlung schlampig durchgeführt worden war. So schlampig, daß sie den Eindruck erwecken konnte, manipuliert worden zu sein. Aber was sollte dadurch verborgen werden?
    »Ich möchte gern einige Stunden damit verbringen, seine Wohnung aufzusuchen und mir die umliegenden Straßen anzuschauen«, sagte Wallander. »Sergeant Zids kann mir helfen.«
    »Sie werden nichts finden«, entgegnete Murniers. »Aber es steht Ihnen natürlich frei, Ihre eigenen Wege zu gehen. Wenn die Vernehmung etwas Wesentliches erbringt, lasse ich Sie rufen.«
    Er drückte auf den Klingelknopf, und kurz darauf stand Sergeant Zids in der Tür. Wallander bat ihn, eine Stadtrundfahrt mit ihm zu machen. Er hatte das Bedürfnis, wieder einen klaren Kopf zu bekommen, bevor er sich wieder mit Major Liepas Schicksal befaßte.
    Sergeant Zids schien von der Aufgabe, Wallander seine Stadt zu zeigen, äußerst angetan. Weitschweifend beschrieb er die Straßen und Parks, an denen sie vorbeifuhren. Wallander spürte seinen Stolz. Sie fuhren den langen, einförmigen Aspasiasboulevard entlang. Zur Linken lag der Fluß, und Sergeant Zids hielt am Straßenrand, um ihm das hohe Freiheitsdenkmal |176| zu zeigen. Wallander versuchte zu erkennen, was der gewaltige Obelisk darstellte. Ihm fielen Upitis’ Worte über die Freiheit ein, die man sowohl herbeisehnen als auch fürchten konnte. Am Fuß des Denkmals kauerten einige verwahrloste Männer, frierend und schlecht gekleidet. Wallander sah, wie einer von ihnen eine Zigarettenkippe von der Straße auflas. Riga besteht aus unbarmherzigen Kontrasten, dachte er. Alles, was ich sehe und langsam zu verstehen glaube, trifft unmittelbar auf einen Gegensatz. Schmucklose Hochhäuser stehen gleich neben reich verzierten, aber verfallenen Mietshäusern aus der Vorkriegszeit. Breite Boulevards

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