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Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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barbarisch sei, daß die Menschen im Westen endlich gezwungen wären zu verstehen, was im Baltikum geschehe.«
    »Das hat er so gesagt? Eine Verschwörung im Baltikum? Nicht in Lettland?«
    »Da bin ich mir sicher. Er regte sich oft genug darüber auf, daß die drei baltischen Staaten immer als eine Einheit betrachtet werden, obwohl es große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern gibt. Aber diesmal sprach er nicht nur von Lettland.«
    »Und er gebrauchte das Wort Verschwörung?«
    »Ja.
Conspiracy

    »Wußten Sie, was er damit sagen wollte?«
    »Wie alle anderen hat auch er seit langem gewußt, daß es direkte Verbindungen zwischen kriminellen Kreisen, Politikern und der Polizei gibt. Sie decken sich gegenseitig, um alle |193| möglichen Straftaten zu begehen, und teilen alles, was sie dabei erbeuten. Karlis selbst sind oft Bestechungsgelder angeboten worden. Aber er hätte nie welche annehmen können, weil das seine Selbstachtung zerstört hätte. Über einen langen Zeitraum hinweg hat er nachgeforscht, was und wer darin verstrickt ist. Natürlich wußte ich das alles. Daß wir in einer Gesellschaft leben, die im Grunde nichts anderes ist als eine Verschwörung. Aus einem kollektiven Weltbild ist ein Untier entstanden, die Verschwörung am Ende zu unserer einzigen lebendigen Ideologie geworden.«
    »Wie lange hat er an seinen Nachforschungen gearbeitet?«
    »Wir waren acht Jahre verheiratet. Er hatte aber schon mit seinen Ermittlungen begonnen, lange bevor wir uns kennenlernten.«
    »Was glaubte er, erreichen zu können?«
    »Zunächst einmal nichts anderes als eine Wahrheit.«
    »Eine Wahrheit?«
    »Für die Nachwelt. Für die Zeit, von der er sicher war, daß sie irgendwann kommen würde. Eine Zeit, in der es möglich sein würde aufzudecken, was sich wirklich unter der Oberfläche der Besatzung verbarg.«
    »Dann war er also ein Gegner des kommunistischen Regimes? Wie konnte er da ein hoher Polizeioffizier werden?«
    Ihre Antwort kam heftig, so als habe er eine schwere Anschuldigung gegen ihren Mann erhoben.
    »Aber verstehen Sie denn nicht? Er war doch selbst durch und durch Kommunist! Der große Verrat war der Grund seiner Verzweiflung! Korruption und Gleichgültigkeit waren die Ursachen seiner Trauer. Der Traum von einer anderen Gesellschaft, die zu einer Lüge verkehrt wurde.«
    »Er lebte also ein Doppelleben?«
    »Sie werden sich kaum vorstellen können, was es bedeutet, Jahr für Jahr gezwungen zu sein, sich als ein anderer auszugeben, Ansichten zu vertreten, die man verabscheut, ein Regime zu verteidigen, das man haßt. Aber das galt nicht nur für Karlis, |194| es galt auch für mich und für alle anderen in diesem Land, die sich geweigert haben, die Hoffnung auf eine andere Welt zu verlieren.«
    »Was hatte er entdeckt, warum hatte er so gute Laune?«
    »Ich weiß es nicht. Wir kamen nie dazu, darüber zu sprechen. Unsere vertraulichsten Gespräche führten wir unter der Bettdecke, wo uns niemand hören konnte.«
    »Er hat gar nichts gesagt?«
    »Er war hungrig. Er wollte essen und Wein trinken. Ich glaube, daß er endlich das Gefühl hatte, sich ein paar Stunden entspannen zu können, in seiner guten Stimmung zu schwelgen. Ich glaube, wenn das Telefon nicht geklingelt hätte, hätte er mit dem Weinglas in der Hand gesungen.«
    Sie verstummte abrupt, und Wallander wartete. Er wußte nicht einmal, ob Major Liepa bereits beigesetzt worden war oder nicht.
    »Denken Sie nach«, sagte er sanft. »Er könnte etwas angedeutet haben. Menschen, die wichtige Entdeckungen mit sich herumschleppen, können manchmal unbewußt Dinge sagen, die sie gar nicht sagen wollen.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Ich habe nachgedacht«, antwortete sie. »Aber ich bin mir sicher. Vielleicht war es etwas, was er in Schweden entdeckt hatte? Vielleicht war er auch auf die Lösung eines entscheidenden Problems gekommen?«
    »Hinterließ er irgendwelche Papiere zu Hause?«
    »Ich habe alles durchsucht. Aber er war sehr vorsichtig. Geschriebenes konnte allzu gefährlich sein.«
    »Gab er nichts seinen Freunden? Upitis?«
    »Nein. Das hätte ich gewußt.«
    »Ihnen vertraute er?«
    »Wir vertrauten einander.«
    »Hat er noch jemandem vertraut?«
    »Natürlich hatte er Vertrauen zu seinen Freunden. Aber Sie müssen verstehen, daß das Vertrauen, welches wir einem |195| anderen Menschen schenken, auch zu einer Belastung für ihn werden kann. Ich bin mir sicher, daß niemand außer ihm selbst so viel wußte wie ich.«
    »Ich

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