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Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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sogar ihr Kopf war. Er sagte, daß es einen
Kondor
und einen
Kiebitz
innerhalb der Polizei gebe. Aber er wußte nicht, wer von den beiden was war.«
    »Einen Kondor und einen Kiebitz?«
    »Der Kondor ist eine Art Geier, der Kiebitz dagegen ein unschuldiger Singvogel. Als Karlis jung war, interessierte er sich sehr für Vögel. Er träumte davon, Ornithologe zu werden.«
    »Aber er wußte nicht, wer der
Kondor
und wer der
Kiebitz
war?«
    »Dazu kam es erst viel später, vor ungefähr zehn Monaten.«
    »Was geschah da?«
    »Karlis war einem großangelegten Rauschgiftschmuggel auf die Spur gekommen. Er sagte, daß es sich um einen teuflischen Plan handele, der uns zweimal töten könne.«
    »›Uns zweimal töten‹? Was meinte er damit?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Sie stand unvermittelt auf, als habe sie plötzlich Angst weiterzumachen.
    »Ich kann Ihnen eine Tasse Tee anbieten«, sagte sie. »Kaffee habe ich leider keinen.«
    |198| »Ich trinke gerne einen Tee«, antwortete Wallander.
    Sie verschwand in der Küche, und Wallander versuchte sich klar darüber zu werden, welche Fragen nun die wichtigsten waren. Er hatte das Gefühl, daß sie ihm gegenüber aufrichtig war, obwohl er immer noch nicht wußte, wie er ihr eigentlich helfen sollte. Er war sich nicht sicher, ob er die Erwartungen, die sie an ihn hatte, überhaupt erfüllen konnte. Ich bin doch nur ein einfacher Kriminalpolizist aus Ystad, dachte er. Ihr hättet einen Mann wie Rydberg gebraucht. Aber der ist tot, genau wie der Major. Er kann euch nicht helfen.
    Sie kam mit einem Tablett zurück, auf dem eine Teekanne und Tassen standen. Es mußte noch jemand in der Wohnung sein. So schnell konnte das Teewasser nicht zum Kochen gebracht worden sein. Überall bin ich von unsichtbaren Wächtern umgeben, dachte er. Lettland ist ein Land, in dem ich nur sehr wenig von dem wahrnehme, was um mich herum geschieht.
    Er sah, daß sie müde war.
    »Wie lange können wir noch weitermachen?« fragte er.
    »Nicht allzu lange. Mein Haus wird bestimmt beobachtet. Ich darf nicht zu lange fort sein. Aber wir können uns hier morgen abend wieder treffen.«
    »Da bin ich schon zum Abendessen bei Oberst Putnis eingeladen.«
    »Ich verstehe. Wie ist es mit übermorgen?«
    Er nickte, kostete den dünnen Tee und fuhr fort, seine Fragen zu stellen.
    »Sie werden darüber nachgedacht haben, was Karlis damit gemeint hat, daß das Rauschgift zweimal töten könne«, sagte er. »Upitis muß sich auch den Kopf darüber zerbrochen haben. Sie müssen doch darüber geredet haben?«
    »Karlis erwähnte einmal, daß man im Grunde alles zur Erpressung benutzen kann«, antwortete sie. »Als ich ihn fragte, was er damit meine, entgegnete er bloß, es sei etwas gewesen, was einer der Obersten gesagt habe. Warum ich mich gerade |199| dran erinnern kann, weiß ich nicht. Vielleicht, weil Karlis gerade zu dieser Zeit sehr schweigsam und verschlossen war.«
    »Erpressung?«
    »Er benutzte das Wort.«
    »Wer sollte erpreßt werden?«
    »Unser Land. Lettland.«
    »Hat er das wirklich gesagt? Ein ganzes Land sollte erpreßt werden?«
    »Ja. Wenn ich mir nicht sicher wäre, würde ich es nicht erwähnen.«
    »Welcher der Obersten hat das Wort Erpressung benutzt?«
    »Ich glaube, es war Murniers. Aber ich bin mir nicht sicher.«
    »Was hielt Karlis von Oberst Putnis?«
    »Er sagte, Putnis gehöre nicht zu den Schlimmsten.«
    »Was genau meinte er damit?«
    »Er hält sich an die Gesetze. Er läßt sich nicht wahllos von allen bestechen.«
    »Aber er läßt sich bestechen?«
    »Das tun alle.«
    »Karlis aber nicht, oder doch?«
    »Niemals. Er war anders.«
    Wallander merkte, daß sie unruhig wurde. Er sah ein, daß die Fragen, die er noch hatte, warten mußten.
    »Baiba«, sagte er, und es war das erste Mal, daß er ihren Vornamen benutzte. »Ich möchte, daß du über alles noch einmal genau nachdenkst, was du mir heute abend gesagt hast. Übermorgen werde ich dir vielleicht wieder die gleichen Fragen stellen.«
    »Gut«, sagte sie. »Aber ich tue auch so schon nichts anderes als nachzudenken.«
    Einen Moment glaubte er, sie würde in Tränen ausbrechen. Aber dann gewann sie ihre Selbstbeherrschung wieder und erhob sich. Sie zog einen Wandvorhang zur Seite. Dahinter befand sich eine Tür, die sie öffnete.
    |200| Eine junge Frau betrat den Raum. Sie warf ihm ein kurzes Lächeln zu und begann, die Teetassen abzuräumen.
    »Das ist Inese«, sagte Baiba Liepa. »Du hast sie heute abend besucht. Sie ist dein

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