Wallander 03 - Die weisse Löwin
glaubte. Louise |254| Åkerblom und Klas Tengblad waren mit derselben Waffe erschossen worden. Von Tengblads Mörder wußte man, daß er gebrochen Schwedisch sprach. Der schwarze Afrikaner, der dabei war, als Louise Åkerblom getötet wurde, floh jetzt vor einem Mann, der gebrochen Schwedisch sprach und vermutlich Konovalenko hieß. Rykoff kannte diesen Konovalenko, obwohl er es leugnete. Der Körperfülle nach konnte Rykoff sehr wohl der Mann sein, der das Haus von Alfred Hanson gemietet hatte. Und in Rykoffs Wohnung gab es einen sehr schönen Aschenbecher, der möglicherweise bewies, daß jemand in Ystad gewesen war. Das war nicht viel, und wenn es die Kugeln nicht gäbe, wäre der Zusammenhang mehr als vage. Aber er hatte seine Intuition und wußte, daß es angebracht war, ihr zu vertrauen. Wenn man Rykoff zum Reden brachte, würde man die Antworten bekommen, hinter denen man her war.
Am selben Abend speiste er mit Linda in einem Restaurant gleich beim Hotel. Diesmal fühlte er sich in ihrer Gesellschaft weniger unsicher. Als er kurz vor eins zu Bett ging, sagte er sich, daß er seit langem keinen so schönen Abend mehr erlebt hatte.
Wallander traf am folgenden Tag kurz vor acht im Polizeigebäude auf Kungsholmen ein. Vor einer verblüfften Schar von Polizisten legte er seine Entdeckungen in Hallunda und die daraus gezogenen Schlußfolgerungen dar. Als er sprach, merkte er, daß ihm massives Mißtrauen entgegenschlug. Aber der Wunsch der Beamten, den Mörder ihres Kollegen zu fassen, war sehr groß, und er spürte, wie sich die Stimmung langsam veränderte. Anschließend gab es niemanden, der an seinen Darlegungen zweifelte.
In den Vormittagsstunden ging dann alles sehr schnell. Das Haus in Hallunda wurde unter Bewachung genommen, während man die Verhaftung vorbereitete. Ein energischer junger Staatsanwalt entschloß sich ohne zu zögern, die Pläne der Polizei bezüglich der Festnahmen gutzuheißen.
Punkt zwei Uhr sollte es losgehen. Wallander hielt sich still im Hintergrund, während Lovén und seine Kollegen den Einsatz im Detail durchgingen. Gegen zehn, als die Vorbereitungen in ihrer |255| chaotischsten Phase waren, ging er in Lovéns Zimmer, rief Ystad an und sprach mit Björk. Er erzählte von der für den Nachmittag geplanten Aktion und von seiner Hoffnung, daß sie den Mord an Louise Åkerblom bald gelöst hätten.
»Ich muß gestehen, daß das Ganze unwahrscheinlich klingt«, sagte Björk.
»Wir leben in einer unwahrscheinlichen Welt.«
»Wie auch immer, du hast gute Arbeit geleistet. Ich werde alle hier im Hause informieren.«
»Aber keine Pressekonferenz«, sagte Wallander. »Und mit Robert Åkerblom sollten wir bis auf weiteres auch noch nicht sprechen.«
»Natürlich nicht. Wann, glaubst du, wirst du zurück sein?«
»Sobald wie möglich. Wie ist das Wetter?«
»Bestens. Es riecht nach Frühling. Svedberg niest, als hätte er bereits den Heuschnupfen. Ein sicheres Zeichen, du weißt ja.«
Wallander verspürte ein leises Heimweh, als er den Hörer aufgelegt hatte. Aber die Spannung vor der Verhaftung war noch stärker.
Um elf versammelte Lovén alle, die am Nachmittag in Hallunda dabeisein sollten. Berichte von den Kollegen, die das Haus bewachten, wiesen darauf hin, daß sich sowohl Vladimir als auch Tania in der Wohnung aufhielten. Ob noch eine weitere Person anwesend war, ließ sich nicht beantworten.
Wallander hörte sich Lovéns Plan genau an. Er merkte, daß sich eine Verhaftung in Stockholm beträchtlich von dem unterschied, was er gewohnt war. Außerdem gab es Operationen dieser Größenordnung in Ystad praktisch nicht. Wallander konnte sich lediglich an eine Aktion im Jahr zuvor erinnern, als sich eine unter Drogen stehende Person in einem Sommerhaus in Sandskogen verschanzt hatte.
Lovén hatte vor dem Treffen gefragt, ob Wallander aktiv teilnehmen wolle.
»Ja«, hatte er geantwortet. »Wenn Konovalenko dort ist, so gehört er in gewisser Weise mir. Mindestens zur Hälfte. Außerdem reizt es mich, Rykoffs Miene zu sehen.«
Um halb zwölf beendete Lovén die Konferenz. »Wir wissen |256| nicht, was uns erwartet. Vermutlich nur zwei Personen, die sich brav dareinfinden werden, daß wir da sind. Aber es kann auch anders kommen.«
Wallander aß gemeinsam mit Lovén im Polizeigebäude zu Mittag.
»Hast du niemals darüber nachgedacht, womit du eigentlich deine Zeit verbringst?« fragte Lovén plötzlich.
»Ich denke jeden Tag darüber nach«, antwortete Wallander.
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