Wallander 03 - Die weisse Löwin
sich bereits die ersten Anzeichen einer Erkältung bemerkbar.
»Was soll ich dem Reichspolizeichef sagen?« fragte Björk.
»Manchmal ist es am besten, man sagt, wie es ist«, sagte Martinsson leise.
Björk schüttelte den Kopf. »Könnt ihr euch die Rubriken vorstellen? ›Wahnsinniger Kriminalkommissar – Geheimwaffe der schwedischen Polizei bei der Jagd auf den Polizistenmörder‹.«
»Für eine Zeitungsrubrik ist das zu lang«, sagte Svedberg.
Björk stand auf. »Fahrt nach Hause und eßt etwas. Wechselt die Sachen. Dann müssen wir weitermachen.«
Martinsson hob die Hand, als säße er in einem Klassenzimmer. »Ich werde zu seinem Vater nach Löderup hinausfahren. Seine Tochter ist dort. Es ist ja möglich, daß sie uns einen Hinweis geben kann, der uns weiterhilft.«
»Tu das«, sagte Björk. »Aber beeil dich.«
|348| Dann ging er in sein Zimmer und rief den Reichspolizeichef an.
Als es ihm endlich gelang, das Gespräch zu beenden, war er vor Wut rot angelaufen.
Er hatte die unzufriedenen Kommentare anhören müssen, mit denen er gerechnet hatte.
Martinsson saß in der Küche des Hauses in Österlen. Wallanders Tochter kochte Kaffee, während sie sich unterhielten. Als er ankam, war er ins Atelier gegangen und hatte Wallanders Vater einen guten Tag gewünscht, ohne ihm allerdings zu sagen, was in der Nacht geschehen war. Erst wollte er mit der Tochter sprechen.
Er merkte, daß sie Angst bekam. Tränen traten in ihre Augen. »Ich sollte gestern eigentlich auch in der Mariagata schlafen«, sagte sie.
Sie schenkte ihm Kaffee ein. Er sah, daß ihre Hände zitterten.
»Ich versteh das nicht«, fuhr sie fort. »Daß er tot ist. Victor Mabasha. Ich versteh das einfach nicht.«
Martinsson murmelte etwas Undeutliches als Antwort.
Er dachte, daß sie offenbar eine ganze Menge über das Verhältnis ihres Vaters zu dem toten Afrikaner würde erzählen können. Ihm war ebenfalls klar, daß nicht ihr Freund aus Kenia vor ein paar Tagen in Wallanders Auto gesessen hatte. Aber warum hatte er gelogen?
»Ihr müßt Papa finden, bevor etwas passiert«, unterbrach sie seine Gedanken.
»Wir werden tun, was wir können«, versprach Martinsson.
»Mehr«, forderte sie. »Das reicht nicht.«
Martinsson nickte. »Ja. Wir werden mehr tun, als wir können.«
Eine halbe Stunde später verließ er das Haus. Sie hatte versprochen, ihren Großvater zu informieren, er dagegen, sie über alles auf dem laufenden zu halten. Dann fuhr er nach Ystad zurück.
Nach dem Mittagessen trafen sich Svedberg, Martinsson und Björk wieder im Versammlungsraum.
|349| Björk tat etwas Ungewöhnliches. Er schloß die Tür. »Wir brauchen jetzt Ruhe«, erklärte er. »Wir müssen Schluß machen mit diesem Durcheinander, bevor uns alles aus den Händen gleitet.«
Martinsson und Svedberg starrten auf den Tisch. Keiner von ihnen wußte, was er sagen sollte.
»Hat niemand von euch Anzeichen dafür wahrgenommen, daß Kurt begann, verrückt zu werden?« fragte Björk. »Ihr müßt doch irgendwas mitbekommen haben. Ich war selbst immer der Meinung, daß er zwischendurch ein bißchen seltsam war. Aber ihr habt doch täglich mit ihm zusammengearbeitet.«
»Ich glaube nicht, daß er den Verstand verloren hat«, sagte Martinsson nach einem langen Schweigen, das schließlich unerträglich wurde. »Vielleicht ist er überarbeitet.«
»Da würden ja sämtliche Polizisten dieses Landes ab und zu Amok laufen«, sagte Björk. »Und sie tun es nicht. Natürlich ist er verrückt geworden. Oder sinnesverwirrt, wenn das besser klingt. Kann das in der Familie liegen? Ist nicht sein Vater vor ein paar Jahren auf einem Acker herumgeirrt?«
»Er war voll«, sagte Martinsson. »Oder vorübergehend senil. Kurt ist doch nicht verkalkt.«
»Hat er vielleicht die Alzheimersche Krankheit? Vorzeitige Senilität?«
»Ich weiß nicht, was das für eine Krankheit ist, von der du sprichst«, mischte sich Svedberg ein. »Laß uns um Gottes willen bei der Sache bleiben. Ob Kurt von einer vorübergehenden Sinnesverwirrung betroffen ist, kann nur ein Arzt entscheiden. Unsere Aufgabe ist es, ihn zu finden. Wir wissen, daß er in einen Schußwechsel verwickelt war, bei dem zwei Personen ums Leben kamen. Wir haben ihn dort auf dem Gelände gesehen. Er richtete seine Waffen auf uns. Aber er war niemals eine Gefahr für uns. Er wirkte vor allem aufgebracht. Oder verzweifelt. Das weiß ich nicht genau. Seitdem ist er verschwunden.«
Martinsson nickte langsam. »Kurt
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