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Wallander 03 - Die weisse Löwin

Wallander 03 - Die weisse Löwin

Titel: Wallander 03 - Die weisse Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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übernehmen?«
    Tania hörte eine aufgeregte Stimme im Hörer, abweisend, gestreßt. Aber die Frau gab nicht auf. »Trotz allem müssen wir normal funktionieren«, sagte sie. »Ich kann niemand anders erwischen. Und es dauert doch auch nicht lange.«
    Der Mann am Telefon gab auf.
    »Sie können mit Kriminalinspektor Martinsson sprechen«, sagte die Frau. »Dritte Tür links.«
    Tania klopfte an und trat ein. Im Zimmer herrschte Chaos. Der Mann hinter dem Schreibtisch sah müde und gehetzt aus. Sein Arbeitsplatz war mit Papieren übersät. Er sah sie mit schlecht verhohlenem Ärger an.
    |379| Aber er bot ihr einen Stuhl an und begann, in einer Schublade nach einem Formular zu suchen. »Autoeinbruch?«
    »Ja«, antwortete Tania. »Die Diebe haben das Radio gestohlen.«
    »Wie gewöhnlich.«
    »Entschuldigung, aber könnte ich ein Glas Wasser bekommen? Ich habe einen ganz schlimmen Husten.«
    Martinsson sah sie erstaunt an. »Ja, sicher. Wasser können Sie haben.«
    Er erhob sich und verließ den Raum.
    Tania hatte das Adreßverzeichnis bereits entdeckt, das auf dem Tisch lag. Sobald Martinsson aus dem Zimmer war, griff sie danach und schlug unter dem Buchstaben W nach. Da standen Wallanders Privatnummer und die seines Vaters. Tania notierte sie sich schnell auf einem Zettel, den sie in die Manteltasche steckte. Dann legte sie das Telefonverzeichnis wieder zurück und sah sich um.
    Martinsson kehrte mit einem Glas Wasser und einer Tasse Kaffee zurück. Das Telefon klingelte, aber er legte den Hörer daneben. Dann stellte er seine Fragen, und sie beschrieb ihm den erfundenen Einbruch. Sie gab die Zulassungsnummer eines Wagens an, den sie im Stadtzentrum hatte parken sehen. Ein Radio war gestohlen worden, ferner eine Tragetüte mit Schnapsflaschen. Martinsson schrieb, und zum Schluß bat er sie, die Anzeige durchzulesen und zu unterschreiben. Sie hatte sich Irma Alexanderson genannt und eine Adresse im Malmöväg angegeben.
    Sie reichte Martinsson das Formular zurück. »Sie machen sich sicher große Sorgen wegen Ihres Kollegen«, sagte sie freundlich. »Wie hieß er doch gleich? Wallander?«
    »Ja«, bestätigte Martinsson. »Das ist nicht leicht.«
    »Ich denke an seine Tochter«, sagte sie. »Ich war einmal ihre Musiklehrerin. Aber sie zog ja dann nach Stockholm.«
    Martinsson betrachtete sie mit etwas gesteigertem Interesse. »Sie ist jetzt wieder hier«, teilte er mit.
    »Ach so? Da muß sie ja mächtig viel Glück gehabt haben, als die Wohnung anfing zu brennen.«
    |380| »Sie ist bei ihrem Großvater«, sagte Martinsson und legte den Telefonhörer wieder auf.
    Tania erhob sich. »Ich will nicht länger stören. Danke für die Hilfe.«
    »Nichts zu danken«, erwiderte Martinsson und gab ihr die Hand.
    Tania war sicher, daß er sie sofort vergessen würde, wenn sie den Raum verlassen hätte. Die dunkle Perücke, die sie über ihrem blonden Haar trug, würde dafür sorgen, daß er sie nie wiedererkannte.
    Sie nickte der Frau am Empfangsschalter zu, passierte eine Schar von Journalisten, die an einer bald beginnenden Pressekonferenz teilnehmen wollten, und verließ das Gebäude.
    Konovalenko wartete in seinem Wagen an der Tankstelle an der Straße hinunter ins Zentrum.
    Sie stieg ein. »Wallanders Tochter ist bei seinem Vater. Ich habe seine Telefonnummer.«
    Konovalenko sah sie an. Schließlich lächelte er.
    »Dann haben wir sie«, sagte er ruhig. »Dann haben wir sie. Und wenn wir sie haben, haben wir auch ihn.«

25
    Wallander träumte, daß er übers Wasser ging.
    Die Welt, in der er sich befand, war seltsam blau gefärbt. Der Himmel mit Wolkenfetzen war blau, ebenso der Waldrand und die Klippen, auf denen blaue Vögel saßen. Und dann das Meer, auf dessen Oberfläche er spazierte. Irgendwo in diesem Traum gab es auch Konovalenko. Wallander hatte seine Spur im Sand verfolgt. Aber dann war sie nicht in Richtung Steilhang verlaufen, sondern im Meer verschwunden. Im Traum war es selbstverständlich, daß er ihr folgte. Und er ging übers Wasser. Es war, als liefe man über eine dünne Schicht feiner Glassplitter. Die Wasseroberfläche war uneben. Aber sie trug sein Gewicht. Irgendwo |381| hinter den blauen Schären, am Horizont, war Konovalenko.
    Er erinnerte sich an den Traum, als er am Sonntag morgen des 17.   Mai erwachte. Er lag bei Sten Widén zu Hause auf dem Sofa. Er tappte in die Küche und sah, daß es halb sechs war. Ein Blick in Sten Widéns Schlafraum zeigte ihm, daß der Freund bereits aufgestanden und

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