Wallander 03 - Die weisse Löwin
beschlossen, die Fundstücke trotzdem noch einmal durchzusehen. Er ging in den Raum, in dem Beweismaterial und Fundsachen von verschiedenen Ermittlungen aufbewahrt wurden, und suchte sich die richtigen Plastiktüten heraus. In den Taschen des Afrikaners hatte Martinsson absolut nichts gefunden, was wiederum bemerkenswert war. Svedberg legte die Tüte, die lediglich ein paar Kiesel enthielt, wieder zurück. Dann leerte er den Inhalt der anderen Tüte vorsichtig auf den Tisch. In den Taschen des fetten Mannes hatte Martinsson Zigaretten, ein Feuerzeug, Tabakkrümel, undefinierbare Staubfusseln und anderen Hosentaschenmüll gefunden. Svedberg betrachtete die Objekte, die vor ihm auf dem Tisch lagen. Das Feuerzeug weckte sofort sein Interesse. Es trug einen fast abgeriebenen Reklameaufdruck. Svedberg hielt es ans Licht, um besser erkennen zu können, was da gestanden hatte. Er legte die Tüte zurück und nahm das Feuerzeug mit in sein Zimmer. Für halb elf war eine Versammlung zum Fall Konovalenko-Wallander angesetzt. Die Zeit bis dahin wollte er nutzen. Er nahm ein Vergrößerungsglas aus der Schreibtischschublade, stellte die Tischlampe richtig ein und begann, das Feuerzeug zu studieren. Nach ungefähr einer Minute fing sein Herz an, schneller zu schlagen. Er konnte die Aufschrift deuten, und es war eine Spur. Es war natürlich zu früh, um hoffen zu können, daß die Spur zu einem Ziel führen würde. Aber er hatte herausgefunden, daß das Feuerzeug mit einer Reklame |412| für das IC A-Geschäft in Tomelilla bedruckt gewesen war. Das mußte nichts bedeuten. Rykoff konnte es irgendwo mitgenommen haben. Aber wenn Rykoff im IC A-Laden in Tomelilla gewesen war, würde sich vielleicht ein Verkäufer an einen Mann erinnern, der gebrochen Schwedisch sprach und unwahrscheinlich fett war. Er steckte das Feuerzeug in die Tasche und verließ das Polizeigebäude, ohne zu hinterlassen, wohin er unterwegs war.
Er fuhr nach Tomelilla. Er ging in das IC A-Geschäft , wies seine Legitimation vor und bat, mit dem Filialleiter sprechen zu dürfen. Der junge Mann stellte sich als Sven Persson vor. Svedberg zeigte ihm das Feuerzeug und erklärte sein Anliegen. Der Filialleiter dachte nach und schüttelte dann den Kopf. Er konnte sich nicht erinnern, daß in der letzten Zeit eine ungewöhnlich fette Person bei ihm eingekauft hätte.
»Sprechen Sie mit Britta«, sagte er. »Mit der Kassiererin. Aber ich fürchte, daß sie ein ziemlich schlechtes Gedächtnis hat. Zumindest ist sie zerstreut.«
»Ist sie die einzige an der Kasse?«
»Samstags haben wir eine Aushilfskraft. Sie ist aber heute nicht hier.«
»Rufen Sie sie an. Bitten Sie sie, sofort herzukommen.«
»Ist es so wichtig?«
»Ja. Sehr.«
Der Filialleiter verschwand, um anzurufen. Svedberg hatte keinen Zweifel am Ernst seines Anliegens gelassen. Er wartete, bis die Frau in den Fünfzigern, die Britta hieß, mit einem Kunden fertig war, der eine Menge Gutscheine für Extraangebote an der Kasse aufgereiht hatte.
Svedberg stellte sich vor. »Ich muß wissen, ob ein großer und dicker Mann hier in der letzten Zeit eingekauft hat«, sagte er.
»Bei uns kaufen viele dicke Männer ein«, erwiderte Britta verständnislos.
Svedberg formulierte die Frage anders.
»Nicht dick, sondern fett. Von kolossalem Körperumfang. Außerdem spricht der Mann schlecht Schwedisch. Ist er hier gewesen?«
|413| Sie versuchte, sich zu erinnern. Svedberg merkte, daß sie sich ihrer wachsenden Neugier wegen schlecht konzentrieren konnte.
»Er hat nichts Interessantes getan«, sagte er. »Ich muß nur wissen, ob er hier gewesen ist.«
»Nein. Wenn er so fett ist, hätte ich ihn in Erinnerung behalten. Ich mache selbst eine Abmagerungskur, da achtet man auf die Leute.«
»Sind Sie in der letzten Zeit mal einen Tag weg gewesen?«
»Nein.«
»Nicht mal eine Stunde?«
»Es kommt natürlich vor, daß ich mal kurz verschwinden muß.«
»Wer kümmert sich dann um die Kasse?«
»Sven.«
Svedberg spürte, wie seine Hoffnungen sanken. Er dankte für die Hilfe und lief im Laden umher, während er auf die Aushilfskraft wartete. Er dachte fieberhaft darüber nach, was er tun würde, wenn die Spur, die ihm der Aufdruck auf dem Feuerzeug gewiesen hatte, ins Leere führte. Wo konnte er einen anderen Ausgangspunkt finden?
Das Mädchen, das an den Samstagen arbeitete, war jung, kaum älter als siebzehn. Sie war auffallend korpulent, und Svedberg genierte sich beinahe, sie nach einem fetten Mann zu fragen.
Weitere Kostenlose Bücher