Wallander 03 - Die weisse Löwin
Wallander fort. »Wenn es stimmt, was du sagst, dann bin ich Konovalenko einen Zug voraus.«
»Hat er wieder von sich hören lassen?«
»Zwölf Stunden sind heute abend um acht vorüber. Er wird die Zeit einhalten. Ich werde nichts anfangen, bis er wieder Kontakt zu mir aufgenommen hat.«
»Das wird die reine Katastrophe, wenn du ihn allein stellen willst. Ich wage nicht daran zu denken, was geschehen wird.«
»Du weißt, daß es keine andere Möglichkeit gibt. Ohne daß ich ihn sehen kann, weiß ich doch, daß er dieses Haus hier unter ständiger Beobachtung hält. Wo auch immer er mich treffen will, er wird die vollständige Kontrolle über die Umgebung haben. Außer mir würde sich kein anderer dem Gelände nähern können. Und du weißt, was geschieht, wenn er merkt, daß ich nicht allein bin.«
»Ich verstehe das alles«, sagte Svedberg. »Trotzdem meine ich, daß wir es versuchen müssen.«
|421| Sie schwiegen beide.
»Ich werde sichergehen«, sagte Wallander. »Ich werde dir nicht erzählen, wo ich ihn treffe. Ich sehe ein, daß du es gut meinst. Aber ich kann kein Risiko eingehen. Danke, daß du das Haus für mich gefunden hast. Das werde ich dir nicht vergessen.«
Dann legte er auf.
Svedberg blieb sitzen, den Hörer in der Hand.
Was sollte er jetzt machen? Er hatte nicht an die Möglichkeit gedacht, daß Wallander ihm die entscheidende Information vorenthalten könnte.
Er legte den Hörer auf und überlegte. Wenn Wallander sich nicht um Hilfe kümmerte, mußte er, Svedberg, es für ihn tun. Die Frage war nur, wen er ansprechen konnte.
Er stellte sich ans Fenster und schaute zum Kirchturm hinüber, der hinter den Hausdächern zu sehen war. Als Wallander nach der Nacht auf dem Übungsgelände auf der Flucht gewesen war, hatte er sich an Sten Widén gewandt. Svedberg war dem Mann nie zuvor begegnet. Er hatte Wallander nicht einmal von ihm sprechen hören. Dennoch waren sie offenbar eng befreundet und kannten einander seit langem. An ihn hatte sich Wallander um Hilfe gewandt. Jetzt entschloß sich Svedberg, es ebenso zu halten. Er verließ die Wohnung und fuhr aus der Stadt hinaus. Der Regen war stärker geworden, es blies außerdem ein kräftiger Wind. Er fuhr an der Küste entlang und dachte, daß all das, was in der letzten Zeit geschehen war, bald ein Ende finden mußte. Es war zuviel für einen kleinen Polizeibezirk wie Ystad.
Er traf Sten Widén draußen im Stall. Er stand vor einer Box, in der ein Pferd unruhig tänzelte und den Brettern der Absperrung ab und zu einen kräftigen Tritt verpaßte. Svedberg grüßte und stellte sich neben ihn. Das nervöse Pferd war sehr groß und schlank. Svedberg hatte noch nie auf einem Pferderücken gesessen. Er hatte großen Respekt vor Pferden und verstand nicht, wie man sein Leben freiwillig damit verbringen konnte, sie zu züchten und zu trainieren.
»Sie ist krank«, erklärte Sten Widén plötzlich. »Aber ich weiß nicht, was mit ihr los ist.«
|422| »Sie wirkt ein wenig nervös«, sagte Svedberg vorsichtig.
»Das ist der Schmerz.«
Dann zog er den Riegel zurück und ging in die Box. Er griff nach dem Halfter, und das Pferd beruhigte sich fast augenblicklich. Dann bückte er sich und sah nach dem linken Vorderbein. Svedberg lehnte sich vorsichtig über die Brüstung, um besser sehen zu können.
»Es ist geschwollen. Siehst du?«
Svedberg konnte nichts entdecken. Aber er murmelte Zustimmung. Sten Widén streichelte das Pferd eine Weile und kam dann aus der Box.
»Ich muß mit dir reden«, sagte Svedberg.
»Gehen wir doch hinein.«
Als sie ins Haus kamen, sah Svedberg eine ältere Dame im unaufgeräumten Wohnzimmer auf dem Sofa sitzen. Sie schien ihm nicht recht in Sten Widéns Milieu zu passen. Sie war auffallend elegant gekleidet, stark geschminkt und trug kostbaren Schmuck.
Sten Widén bemerkte seinen Blick. »Sie wartet darauf, daß ihr Chauffeur sie abholt. Ihr gehören zwei Pferde, die bei mir im Training stehen.«
»Ach so«, sagte Svedberg.
»Die Witwe eines Bauunternehmers aus Trelleborg. Sie fährt bald heim. Sie kommt ab und zu, nur um hier herumzusitzen. Ich glaube, sie ist sehr einsam.«
Die letzten Worte äußerte Sten Widén so verständnisvoll, daß Svedberg verwundert war.
Sie setzten sich in die Küche.
»Ich weiß nicht recht, warum ich eigentlich hier bin«, sagte Svedberg. »Das heißt, ich weiß es schon. Aber was es eventuell bedeutet, dich um Hilfe zu bitten, da habe ich keine Ahnung.«
Er berichtete von dem
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