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Wallander 03 - Die weisse Löwin

Wallander 03 - Die weisse Löwin

Titel: Wallander 03 - Die weisse Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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war es eine der schwarzen Sekretärinnen, die es in der Staatsanwaltschaft gab, seit die Rassengesetze nicht mehr so streng waren. Aber er war noch nie mit einer schwarzen Frau allein in deren Haus gewesen.
    Er hatte ein wiederkehrendes Gefühl, daß die Schwarzen ihn verachteten. Immer suchte er nach Zeichen des Feindlichen. Am deutlichsten war das unklare Schuldgefühl, wenn er mit einem schwarzen Menschen allein war. Er merkte, daß das Gefühl der Schutzlosigkeit wuchs, als er nun einer Frau gegenübersaß. Mit einem Mann wäre es vielleicht anders gewesen. Als Weißer hatte er die übliche Überlegenheit, die aber jetzt plötzlich verschwunden war; der Stuhl versank unter ihm, bis er meinte, direkt auf dem Boden zu sitzen.
    Er hatte die letzten Tage und das vergangene Wochenende mit dem Versuch verbracht, so tief wie möglich in Jan Kleyns Geheimnis einzudringen. Jetzt wußte er, daß Jan Kleyn dieses Haus in Bezuidenhout ständig besuchte. Das ging schon viele Jahre so, seit Jan Kleyn nach dem Studium nach Johannesburg gekommen war. Durch Werveys Einfluß und seine eigenen Beziehungen war |428| es ihm auch gelungen, das Bankgeheimnis zu umgehen. So wußte er, daß Jan Kleyn monatlich eine beträchtliche Summe an Miranda Nkoyi überweisen ließ.
    Das Geheimnis hatte sich ihm offenbart. Jan Kleyn, einer der zuverlässigsten Beamten des Nachrichtendienstes, ein Bure, der die entsprechenden Wertvorstellungen öffentlich mit Stolz vertrat, lebte heimlich mit einer schwarzen Frau zusammen. Für sie war er bereit, die größten Risiken auf sich zu nehmen. Wenn Präsident de Klerk als Verräter angesehen wurde, dann war Jan Kleyn ebenfalls einer.
    Aber Scheepers hatte das Gefühl, bisher nur an der Oberfläche des Geheimnisses gekratzt zu haben, und entschloß sich, die Frau aufzusuchen. Er würde nicht verraten, wer er war, und möglicherweise verschwieg sie Jan Kleyn gegenüber seinen Besuch. Sollte sie ihm doch davon erzählen, hätte er den Eindringling sicher bald als Georg Scheepers identifiziert. Aber er würde nicht wissen, weshalb er gekommen war; er mußte befürchten, daß das Geheimnis entdeckt worden war, und Scheepers würde Jan Kleyn weiter kontrollieren können. Natürlich bestand das Risiko, daß Jan Kleyn sich entschloß, ihn zu töten. Aber auch dagegen glaubte Scheepers eine Versicherung zu haben. Er würde dieses Haus nicht verlassen, ohne Miranda klargemacht zu haben, daß weitere Personen über Jan Kleyns Geheimleben außerhalb der geschlossenen Welt des Nachrichtendienstes informiert waren.
    Sie sah ihn an, sah durch ihn hindurch. Sie war sehr schön. Die Schönheit hatte überlebt, sie überlebte alles, Unterwerfung, Zwang, Schmerz, solange es Widerstand gab. Resignation zog das Häßliche, Verkümmerte, bis zur Vernichtung Geschwächte nach sich.
    Er zwang sich dazu, ihr zu sagen, wie es sich verhielt. Daß der Mann, der sie besuchte, der ihr Haus bezahlte und vermutlich ihr Liebhaber war, im begründeten Verdacht stand, gegen den Staat und das Leben einzelner Personen konspirativ tätig zu sein. Während er sprach, schien es ihm, als sei ihr ein Teil des Gesagten bereits bekannt, anderes wiederum neu. Gleichzeitig hatte er seltsamerweise den Eindruck, als sei sie irgendwie erleichtert, als |429| habe sie etwas anderes erwartet oder sogar gefürchtet. Er begann sofort darüber nachzudenken, was das sein konnte. Er ahnte, daß es mit dem Geheimnis zu tun hatte, mit dem leisen Gefühl, daß da noch eine unsichtbare Tür zu öffnen war.
    »Ich muß es wissen«, sagte er. »Ich habe eigentlich keine Fragen. Sie sollen auch nicht den Eindruck haben, ich würde Sie drängen, gegen Ihren eigenen Mann auszusagen. Es geht um etwas sehr Großes. Eine Bedrohung für das ganze Land. So groß, daß ich Ihnen nicht einmal verraten kann, wer ich bin.«
    »Aber Sie sind sein Feind. Wenn das Rudel eine Gefahr wittert, rennen bestimmte Tiere in die Irre. Und sie sind verloren. Ist es nicht so?«
    »Vielleicht«, sagte Scheepers. »Vielleicht ist es so.«
    Er saß mit dem Rücken zum Fenster. Gerade in dem Augenblick, als Miranda über die Tiere und das Rudel sprach, nahm er hinter ihr an der Tür eine fast unmerkliche Bewegung wahr. Es war, als habe jemand langsam begonnen, die Klinke herunterzudrücken, es sich dann aber anders überlegt. Erst da war ihm eingefallen, daß er an diesem Morgen nicht gesehen hatte, wie die junge Frau das Haus verließ. Die junge Frau, die Mirandas Tochter sein mußte.
    Eines der

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