Wallander 03 - Die weisse Löwin
Haus, das er an der Kiesgrube in der Nähe von Tomelilla entdeckt hatte. Sten Widén erhob sich und kramte eine Weile in dem mit Papieren und Rennprogrammen vollgestopften Küchenschrank. Schließlich fand er eine schmutzige und zerrissene Karte. Er breitete sie auf dem Tisch aus, und |423| Svedberg zeigte mit einem abgebrochenen Bleistift, wo das Haus lag.
»Ich habe keine Ahnung, was Wallander zu tun gedenkt. Ich weiß nur, daß er Konovalenko allein herausfordern will. Er will seiner Tochter wegen kein Risiko eingehen. Das kann man natürlich verstehen. Das Problem ist nur, daß Wallander allein nicht die geringste Möglichkeit hat, Konovalenko unschädlich zu machen.«
»Du willst ihm also helfen?« fragte Sten Widén.
Svedberg nickte. »Aber allein schaffe ich es nicht. Mir fiel niemand außer dir ein, mit dem ich darüber reden könnte, denn noch einer oder gar weitere Polizisten, das geht nicht. Deshalb bin ich hier. Du kennst ihn, du bist sein Freund.«
»Vielleicht.«
»Vielleicht?«
»Richtig ist, daß wir uns seit langem kennen. Aber wir haben über zehn Jahre keinen Kontakt mehr zueinander gehabt.«
»Das wußte ich nicht. Ich dachte, es wäre anders.«
Ein Auto bog in den Hof. Sten Widén stand auf und begleitete die Bauunternehmerswitwe nach draußen. Svedberg dachte, daß er sich wohl geirrt hatte. Sten Widén war wohl nicht der enge Freund Wallanders, den er sich vorgestellt hatte.
»Was denkst du dir?« fragte Sten Widén, als er in die Küche zurückkam.
Svedberg erzählte. Irgendwann nach acht Uhr würde er Wallander anrufen und versuchen, etwas aus ihm herauszubringen. Sicher nicht exakt das, was Konovalenko gesagt hatte, aber wenigstens die Uhrzeit, zu der das Treffen stattfinden würde. Wenn er den Zeitpunkt wüßte, würden er und hoffentlich noch jemand sich schon in der Nacht zu dem Hof begeben, unbemerkt, um Wallander beizustehen, wenn es notwendig wäre.
Sten Widén hörte mit ausdruckslosem Gesicht zu. Als Svedberg fertig war, stand er auf und verließ die Küche. Svedberg vermutete, er sei zur Toilette gegangen.
Aber Sten Widén kehrte mit einem Gewehr in der Hand zurück. »Wir müssen versuchen, ihm zu helfen«, sagte er kurz.
Er setzte sich und untersuchte das Gewehr. Svedberg legte |424| seine Dienstwaffe auf den Tisch, um zu zeigen, daß auch er bewaffnet war.
Sten Widén grinste. »Nicht viel, um einen zu allem bereiten Verrückten zu jagen.«
»Kannst du die Pferde allein lassen?«
»Ulrika schläft hier, eines der Mädchen, die bei mir arbeiten.«
Svedberg fühlte sich in Sten Widéns Gesellschaft unsicher. Dessen Wortkargheit und Ungeselligkeit ließen ihn nicht recht locker werden. Aber er war dankbar, es nicht allein durchstehen zu müssen.
Um drei Uhr nachmittags fuhr Svedberg nach Hause. Sie hatten vereinbart, daß er sich melden würde, sobald er Wallander gesprochen hatte. Auf dem Weg nach Ystad kaufte er die soeben erschienenen Abendzeitungen. Er setzte sich ins Auto und blätterte sie durch. Die Geschehnisse um Konovalenko und Wallander galten immer noch als aktuell, waren aber bereits um einige Seiten nach hinten gerutscht.
Dann entdeckte Svedberg plötzlich Rubriken, die er mehr als alles andere fürchtete.
Dazu ein Bild von Wallanders Tochter.
Er rief Wallander zwanzig Minuten nach acht an.
Konovalenko hatte sich gemeldet.
»Ich weiß, daß du nicht sagen willst, was geplant ist«, sagte Svedberg. »Aber verrate mir wenigstens die Uhrzeit.«
Wallander zögerte, bevor er antwortete. »Morgen früh um sieben.«
»Aber nicht bei dem Haus.«
»Nein. Woanders. Aber frag jetzt nicht weiter.«
»Was soll geschehen?«
»Er hat versprochen, meine Tochter freizulassen. Mehr weiß ich nicht.«
Du weißt es, dachte Svedberg. Du weißt, daß er versuchen wird, dich zu töten.
»Sei vorsichtig, Kurt.«
»Ja«, sagte Wallander und legte auf.
Svedberg war jetzt sicher, daß das Treffen bei dem Hof stattfinden |425| würde. Wallanders Antwort war eine Idee zu schnell gekommen. Er saß reglos da.
Dann rief er Sten Widén an. Sie vereinbarten, sich um Mitternacht zu Hause bei Svedberg zu treffen und dann nach Tomelilla zu fahren.
Sie tranken eine Tasse Kaffee in Svedbergs Küche.
Draußen regnete es immer noch.
Viertel vor zwei Uhr nachts machten sie sich auf den Weg.
28
Der Mann vor ihrem Haus in Bezuidenhout Park war wieder da. Es war der dritte Morgen hintereinander, an dem Miranda ihn auf der anderen Straßenseite stehen sah, regungslos,
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