Wallander 03 - Die weisse Löwin
würde nie erfahren, ob die Kugel aus seiner Pistole das Feuer entzündet hatte oder ob es eine andere Ursache gab. Der Wagen stand sofort in Flammen. Wallander ging durch den Rauch vorsichtig näher.
Konovalenko brannte.
Er lag eingeklemmt auf dem Rücken, ein Arm hing aus der Frontscheibe heraus. Wallander würde sich später an seine starrenden Augen erinnern, als könne er nicht glauben, was ihm passierte. Dann fing sein Haar Feuer, und nach ein paar Sekunden wußte Wallander, daß Konovalenko tot war. In der Ferne hörte er Alarmsirenen. Langsam ging er zu seinem verbeulten Wagen zurück und lehnte sich gegen die Tür auf der Fahrerseite.
Er ließ den Blick über den Kalmarsund schweifen. Das Wasser glitzerte. Es roch nach Meer. Sein Kopf war völlig leer und frei von Gedanken. Etwas war vorüber, und dieses Gefühl betäubte ihn. Von irgendwoher erklang eine Megaphonstimme, die jemanden aufforderte, seine Waffe fallen zu lassen. Es dauerte eine Weile, bis er merkte, daß er selbst gemeint war. Er drehte sich um und sah, wie von Kalmar her Feuerwehrfahrzeuge und Polizeiautos anrückten. Konovalenkos Mercedes brannte immer noch. Wallander starrte auf seine Pistole. Dann warf er sie über das Brückengeländer. Polizisten mit gezogener Waffe kamen näher.
Wallander wedelte mit seiner Legitimation. »Kommissar Wallander«, rief er. »Ich bin Polizist!«
|470| Bald war er von mißtrauischen småländischen Kollegen umringt.
»Wallander. Ich bin Polizist«, wiederholte er. »Ihr habt vielleicht über mich in den Zeitungen gelesen. Letzte Woche wurde meinetwegen Reichsalarm gegeben.«
»Ich erkenne dich wieder«, bestätigte einer der Kollegen in breitem småländischem Dialekt.
»Der da im Auto verbrennt, ist Konovalenko«, sagte Wallander. »Der Mann, der unseren Kollegen in Stockholm erschossen hat. Und viele andere.«
Wallander schaute sich um.
Etwas, was vielleicht Freude war, vielleicht auch nur Erleichterung, stieg in ihm auf.
»Fahren wir los? Ich brauche eine Tasse Kaffee. Hier passiert jetzt nichts mehr.«
31
Am Freitag, dem 22. Mai, gegen Mittag wurde Jan Kleyn in seinem Büro im Gebäude des Nachrichtendienstes verhaftet.
Kurz nach acht Uhr morgens hatte sich der Oberste Staatsanwalt Wervey Scheepers’ Darstellung des Falles und de Klerks Beschluß vom späten Abend des vorangegangenen Tages angehört und anschließend kommentarlos den Haftbefehl und eine Genehmigung zur Hausdurchsuchung unterschrieben. Scheepers hatte vorgeschlagen, daß sich Kommissar Borstlap, der ihm im Zusammenhang mit der Ermittlung im Mordfall van Heerden positiv aufgefallen war, um die Verhaftung Jan Kleyns kümmern sollte. Nachdem Borstlap Jan Kleyn ins Vernehmungszimmer gebracht hatte, ging er in ein angrenzendes Büro, wo Scheepers auf ihn wartete. Er konnte mitteilen, daß die Festnahme ohne Probleme verlaufen war. Aber er hatte eine Beobachtung gemacht, die ihm wichtig erschien und ihm Sorgen bereitete. Er war nicht ausführlich darüber informiert worden, |471| warum dieser Mann des Geheimdienstes zum Verhör geholt werden sollte. Scheepers hatte auf die Schweigepflicht verwiesen, die alles betraf, was mit der nationalen Sicherheit in Verbindung stand. Aber Borstlap hatte im Vertrauen erfahren, daß Präsident de Klerk informiert war. Deshalb war er instinktiv der Meinung, daß er über seine Wahrnehmung sprechen mußte.
Jan Kleyn war nämlich nicht im geringsten erstaunt gewesen, als er verhaftet wurde. Borstlap hatte seine Entrüstung als Schauspielerei durchschaut. Jemand mußte Jan Kleyn gewarnt haben. Da die Aktion, wie Borstlap wußte, kurzfristig beschlossen worden war, vermutete er, daß Jan Kleyn entweder Freunde in der nächsten Umgebung des Präsidenten hatte oder daß ein Maulwurf in der zentralen Anklagebehörde saß. Scheepers hörte sich an, was Borstlap zu berichten hatte. Seit de Klerks Entscheidung waren weniger als zwölf Stunden vergangen. Außer dem Präsidenten hatten nur Wervey und Borstlap gewußt, was geschehen würde. Scheepers wurde klar, daß er sofort de Klerk davon in Kenntnis setzen mußte, daß sein Arbeitsraum vermutlich abgehört wurde. Er bat Borstlap, draußen zu warten, während er ein wichtiges Telefonat erledigen wollte. Aber er konnte de Klerk nicht erreichen. Das Sekretariat teilte mit, daß er in einer Besprechung säße und vor dem späten Nachmittag nicht mehr zu erreichen sei.
Scheepers verließ den Raum und ging hinaus zu Borstlap. Er hatte beschlossen, Kleyn
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