Wallander 03 - Die weisse Löwin
Es war nach ein Uhr, als er Franz Malan anrief. »Zieh dich an und komm her«, sagte er.
Franz Malan war verschlafen und irritiert.
Jan Kleyn vermied es, seinen Namen zu nennen. »Zieh dich an und komm her«, wiederholte er.
Franz Malan stellte keine Fragen.
Eine knappe Stunde später, kurz nach zwei, betrat er Jan Kleyns Wohnzimmer. Die Gardinen waren zugezogen. Der Nachtwächter, der ihm das Tor geöffnet hatte, war unter Androhung sofortiger Entlassung instruiert worden, zu Außenstehenden niemals über die Besucher zu sprechen, die am späten Abend oder in der Nacht kamen. Jan Kleyn zahlte einen sehr hohen Lohn für das Schweigen des Mannes.
Franz Malan war nervös. Er wußte, daß Jan Kleyn ihn niemals gerufen hätte, wenn nicht etwas Wichtiges geschehen wäre.
Jan Kleyn ließ ihm kaum Zeit, sich hinzusetzen, bis er erklärte, was los war, was am nächsten Tag passieren würde und was noch in dieser Nacht organisiert werden mußte. Was Franz Malan da zu hören bekam, steigerte seine Nervosität. Es lief darauf hinaus, daß seine eigene Verantwortung größer würde, als er es sich selbst wünschte.
»Wir wissen nicht, wieviel Scheepers herausgefunden hat«, sagte Jan Kleyn. »Aber gewisse Maßnahmen sind notwendig. Am wichtigsten ist die Auflösung des Komitees. Das Interesse muß von Kapstadt und dem 12. Juni abgelenkt werden.«
Franz Malan sah ihn erstaunt an. Meinte er das im Ernst? Sollte die ganze exekutive Verantwortung auf ihn abgewälzt werden?
Jan Kleyn bemerkte seine Unruhe. »Bald bin ich wieder draußen. Dann übernehme ich die Sache.«
»Das hoffe ich«, erwiderte Franz Malan. »Aber muß denn das Komitee aufgelöst werden?«
»Das ist notwendig. Scheepers kann tiefer gegraben haben, als wir uns vorstellen können.«
»Aber wie hat er das geschafft?«
Jan Kleyn zuckte irritiert die Schultern. »Wie schaffen wir etwas? Indem wir unser Wissen, unsere Verbindungen ausnutzen. |477| Wir schmieren, drohen, lügen, bis wir die gewünschten Informationen haben. Für uns gibt es keine Grenzen. Also auch nicht für die, die unsere Vorhaben überwachen. Das Komitee darf sich nicht wieder treffen. Es existiert nicht und hat auch niemals existiert. Noch heute nacht werden wir mit allen Mitgliedern sprechen. Aber vorher sind weitere Dinge zu erledigen.«
»Wenn Scheepers weiß, daß wir für den 12. Juni etwas planen, müssen wir die Sache abblasen«, sagte Franz Malan. »Das Risiko ist zu groß.«
»Es ist zu spät«, erwiderte Jan Kleyn. »Außerdem kann Scheepers nicht sicher sein. Eine gutplazierte Spur in eine andere Richtung wird ihn davon überzeugen, daß gerade Kapstadt und der 12. Juni ihn irreführen sollen. So drehen wir den Spieß um.«
»Wie?«
»Indem ich ihm im morgigen Verhör etwas Entsprechendes suggeriere.«
»Das wird wohl kaum ausreichen, oder?«
»Natürlich nicht.«
Jan Kleyn zog ein kleines schwarzes Notizbuch hervor. Als er es aufschlug, sah Franz Malan, daß es lauter leere Seiten enthielt.
»Das hier schreibe ich voll mit sinnlosem Zeug«, erklärte Jan Kleyn. »Aber ab und zu notiere ich einen Ort und ein Datum. Alle außer einer Eintragung werden durchgestrichen sein. Übrig bleiben wird eben nicht Kapstadt und der 12. Juni. Das Büchlein bleibt in meinem Panzerschrank liegen, den ich unverschlossen lasse, als hätte ich in aller Eile wichtige Papiere zu verbrennen versucht.«
Franz Malan nickte. Er fing an zu glauben, daß Jan Kleyn recht hatte. Es mußte möglich sein, eine falsche Spur zu legen.
»Sikosi Tsiki ist auf dem Heimweg«, sagte Jan Kleyn und reichte Franz Malan ein Kuvert. »Es wird deine Aufgabe sein, ihn in Empfang zu nehmen, nach Hammanskraal zu bringen und ihm am 11. Juni die letzten Instruktionen zu geben. Alles ist hier in diesem Kuvert aufgeschrieben. Lies es dir durch und stelle fest, ob dir etwas unklar ist. Dann müssen wir anfangen zu telefonieren.«
|478| Während Franz Malan die Anweisungen studierte, begann Jan Kleyn, das Notizbuch mit verschiedenen sinnlosen Wort- und Ziffernkombinationen zu füllen. Er verwendete verschiedene Schreibgeräte, um den Eindruck zu erwecken, die Eintragungen seien über längere Zeit hin entstanden. Er überlegte einen Augenblick und entschied sich dann für Durban und den 3. Juli. Er wußte, daß der ANC an diesem Tag in dieser Stadt ein wichtiges Treffen haben würde. Das sollte die falsche Spur sein, auf die er Scheepers locken wollte.
Franz Malan legte die Papiere zur
Weitere Kostenlose Bücher