Wallander 03 - Die weisse Löwin
wurde? Gleichzeitig war ihm klar, daß Wervey von ihm erwartete, die Aufgabe zu lösen, die man ihm zugeteilt hatte. Wervey gab niemals jemandem eine zweite Chance. Seine Karrieremöglichkeiten würden sich sehr verringern, sollte er Schwäche zeigen.
Er zog das Jackett aus und tauchte das Gesicht in kaltes Wasser. Dann ging er noch einmal die Fragen durch, die er zu stellen beabsichtigte.
Es gelang ihm auch, telefonisch mit Präsident de Klerk in Verbindung zu treten. Bei der ersten Gelegenheit äußerte er seinen Verdacht, das Kabinett des Präsidenten würde abgehört.
De Klerk unterbrach ihn nicht. »Ich werde das untersuchen lassen«, sagte er, als Scheepers fertig war. Damit war das Gespräch vorüber.
Erst als es fast sechs Uhr war, bekam er den Bescheid, daß der Anwalt sich eingefunden habe. Er kehrte in das Vernehmungszimmer zurück. Der Anwalt, der neben Jan Kleyn saß, war ungefähr |481| vierzig Jahre alt und hieß Kritzinger. Sie begrüßten sich höflich und gaben sich die Hand. Scheepers merkte sofort, daß sich die beiden von früher kannten. Möglicherweise hatte sich Kritzinger absichtlich verspätet, um Jan Kleyn einen Freiraum zu schaffen und gleichzeitig den Leiter des Verhörs aus dem Konzept zu bringen. Auf Scheepers hatte der Gedanke jedoch eine ganz andere Wirkung. Auf einmal war er ganz ruhig. Die Bedenken der letzten Stunden waren wie weggeblasen.
»Ich habe den Haftbefehl gesehen«, sagte Kritzinger. »Die Anklagen sind schwerwiegend.«
»Es ist auch ein schwerwiegendes Verbrechen, die nationale Sicherheit zu bedrohen.«
»Mein Klient bestreitet kategorisch alles, was ihm vorgeworfen wird«, erwiderte der Anwalt. »Ich fordere, daß er sofort auf freien Fuß gesetzt wird. Halten Sie es für besonders sinnvoll, ausgerechnet Menschen zu verhaften, die in ihrer täglichen Arbeit ja gerade alles tun, um die nationale Sicherheit zu verteidigen?«
»Bis auf weiteres stelle ich hier die Fragen«, sagte Scheepers. »Ihr Klient hat zu antworten, nicht ich.«
Scheepers warf einen Blick auf seine Unterlagen. »Kennen Sie Franz Malan?« fragte er.
»Ja«, antwortete Jan Kleyn sofort. »Er arbeitet auf dem militärischen Sektor, der mit streng geheimem Sicherheitsmaterial zu tun hat.«
»Wann haben Sie ihn zuletzt getroffen?«
»Im Zusammenhang mit dem Terroranschlag auf das Restaurant in der Nähe von Durban. Wir waren beide zu den Ermittlungen hinzugezogen worden.«
»Ist Ihnen eine Geheimorganisation von Buren bekannt, die sich ganz einfach Komitee nennt?«
»Nein.«
»Bestimmt nicht?«
»Mein Klient hat die Frage bereits beantwortet«, protestierte Kritzinger.
»Nichts kann mich daran hindern, dieselbe Frage mehr als einmal zu stellen«, sagte Scheepers scharf.
|482| »Ich kenne kein Komitee«, sagte Jan Kleyn.
»Wir haben Anlaß zu glauben, daß ein Attentat auf einen der schwarzen Nationalistenführer durch dieses Komitee geplant wird. Verschiedene Orte und Tage wurden genannt. Sind Sie darüber informiert?«
»Nein.«
Scheepers holte das Notizbuch hervor.
»Bei der Hausdurchsuchung hat die Polizei heute dieses Buch in Ihrer Villa gefunden. Erkennen Sie es?«
»Natürlich erkenne ich es. Es gehört mir.«
»Darin sind verschiedene Daten und Orte vermerkt. Können Sie mir erklären, was sie bedeuten?«
»Was soll das?« sagte Jan Kleyn und wandte sich an seinen Anwalt. »Das sind private Notizen über Geburtstage und Treffen mit verschiedenen Freunden.«
»Was haben Sie am 12. Juni in Kapstadt zu tun?«
Jan Kleyn verzog keine Miene, als er antwortete. »Gar nichts. Ich habe lediglich daran gedacht, dahin zu fahren und einen Numismatikerkollegen zu treffen. Aber das hat sich erledigt.«
Scheepers registrierte, daß Jan Kleyn nach wie vor unberührt wirkte.
»Was sagen Sie dann zu Durban, am 3. Juli?«
»Nichts.«
»Nichts?«
Jan Kleyn flüsterte seinem Anwalt einige Worte zu.
»Mein Klient will die Frage aus persönlichen Gründen nicht beantworten«, sagte Kritzinger.
»Persönliche Gründe oder nicht, ich will eine Antwort haben«, sagte Scheepers.
»Das hier ist Wahnsinn«, rief Jan Kleyn und fuchtelte mit den Armen.
Scheepers entdeckte plötzlich, daß Jan Kleyn angefangen hatte zu schwitzen. Außerdem zitterte die Hand, die auf dem Tisch lag.
»Bisher sind Ihre Fragen völlig substanzlos gewesen«, sagte Kritzinger. »Ich werde sehr bald fordern, daß das hier ein Ende hat und mein Klient umgehend auf freien Fuß gesetzt wird.«
»Wenn es um die
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