Wallander 03 - Die weisse Löwin
Bedrohung der nationalen Sicherheit geht, |483| haben Polizei und Anklage große Freiheiten«, sagte Scheepers. »Ich erbitte jetzt eine Antwort auf meine Frage.«
»Ich habe ein Verhältnis mit einer Frau in Durban«, sagte Jan Kleyn. »Da sie verheiratet ist, müssen wir uns mit äußerster Diskretion treffen.«
»Treffen Sie sich regelmäßig?«
»Ja.«
»Wie heißt sie?«
Jan Kleyn und Kritzinger protestierten gleichzeitig.
»Gut, lassen wir ihren Namen bis auf weiteres weg. Ich komme noch darauf zurück. Aber wenn Sie sich regelmäßig treffen und die verschiedenen Verabredungen hier in diesem Buch notieren, ist es dann nicht eigentümlich, daß Durban nur einmal erwähnt ist?«
»Ich verbrauche mindestens zehn Notizbücher im Jahr. Die alten werfe ich regelmäßig weg. Oder ich verbrenne sie.«
»Wo verbrennen Sie sie?«
Jan Kleyn schien die Ruhe wiedergefunden zu haben. »Im Waschbecken oder in der Toilette. Wie der Herr Staatsanwalt ja bereits weiß, hat mein Kamin keinen Rauchabzug. Der wurde durch die vorherigen Besitzer zugemauert. Ich habe ihn nie wieder freigelegt.«
Das Verhör ging weiter. Scheepers stellte erneut Fragen zu dem geheimen Komitee, aber die Antworten blieben dieselben. In regelmäßigen Abständen protestierte Kritzinger. Nach fast drei Stunden beschloß Scheepers, Schluß zu machen. Er erhob sich und teilte kurz mit, daß Jan Kleyn in Gewahrsam bleiben würde. Kritzinger wurde ernsthaft böse. Aber Scheepers wies seinen Protest zurück. Das Gesetz erlaubte es ihm, Jan Kleyn noch mindestens vierundzwanzig Stunden festzuhalten.
Es war bereits Nacht geworden, als er es endlich schaffte, seinem Vorgesetzten einen Bericht zu geben. Wervey hatte versprochen, in seinem Dienstzimmer zu warten, bis er kam. Die Korridore waren menschenleer, als er zum Chefankläger eilte. Die Tür stand angelehnt. Wervey saß auf seinem Stuhl und schlief. Scheepers klopfte und trat ein, Wervey schlug die Augen auf und sah ihn an.
|484| Scheepers setzte sich. »Jan Kleyn hat jede Kenntnis einer Verschwörung oder eines Attentats bestritten. Ich glaube auch nicht, daß er es jemals zugeben wird. Wir haben außerdem nichts, was ihn mit dem einen oder dem anderen in Verbindung bringt. Bei der Hausdurchsuchung fanden wir lediglich einen Gegenstand von Interesse. In seinem Panzerschrank lag ein Notizbuch mit verschiedenen Daten und Orten. Alle bis auf einen waren durchgestrichen. Durban, 3. Juli. Wir wissen, daß Nelson Mandela an diesem Tag dort sprechen wird. Das Datum, das wir bisher im Auge hatten, Kapstadt, am 12. Juni, ist in dem Büchlein ebenfalls durchgestrichen.«
Wervey straffte sich und wollte das Notizbuch sehen. Scheepers hatte es in seiner Tasche. Wervey blätterte es im Schein der Schreibtischlampe langsam durch.
»Welche Erklärung hat er gegeben?« fragte er, als er fertig war.
»Verschiedene Treffen. Er behauptet, in Durban ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau zu haben.«
»Setz morgen an dieser Stelle an.«
»Er weigert sich, den Namen zu nennen.«
»Sag ihm, daß er so lange im Gefängnis bleibt, bis wir den Namen wissen.«
Scheepers sah Wervey erstaunt an. »Geht denn das?«
»Junger Freund«, klärte ihn Wervey auf. »Alles geht, wenn man Chefankläger und so alt ist wie ich. Vergiß nicht, daß ein Mann wie Jan Kleyn weiß, wie man Spuren verwischt. Er muß im Kampf besiegt werden. Bisweilen auch mit zweifelhaften Mitteln.«
»Dennoch schien es mir, als sei er ein paarmal unsicher geworden«, sagte Scheepers zögernd.
»Er weiß natürlich, daß wir ihm auf den Fersen sind. Nimm ihn morgen ordentlich in die Mangel. Dieselben Fragen, immer wieder. Neu zielen. Aber derselbe Schuß, immer derselbe Schuß.«
Scheepers nickte. »Da ist noch eine Sache«, sagte er. »Kommissar Borstlap, der die Festnahme leitete, hatte den Eindruck, Jan Kleyn sei vorgewarnt worden. Obwohl nur wenige vorab wußten, was geschehen würde.«
Wervey sah ihn lange an, bevor er antwortete. »Dieses Land hier ist im Krieg. Überall sind Ohren, menschliche und elektronische. |485| Das Abhören von Geheimnissen ist oftmals eine Waffe, die alle anderen übertrifft. Vergiß das nicht.«
Das Gespräch war vorüber.
Scheepers ging hinaus, blieb an der Treppe stehen und atmete die frische Luft ein. Er war sehr müde. Dann ging er zu seinem Wagen, um nach Hause zu fahren.
Als er die Autotür aufschließen wollte, trat einer der Parkplatzwächter aus dem Schatten. »Ein Mann hat das hier für
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