Wallander 03 - Die weisse Löwin
zehn Jahren war der ehemalige Eigentümer, ein verwitweter Landesarchivar namens Hjalmarson, verstorben. Sein Sohn, der sich nach Auskunft verschiedener Nachbarn als Repräsentant eines schwedischen Unternehmens in Brasilien aufhielt (andere behaupteten, er sei Waffenhändler), war nicht einmal zur Beerdigung erschienen. Das Ganze sei sowieso eine höchst unangenehme Zeit für den Hemmansväg gewesen, behauptete der Sprecher der Nachbarn der gelben Villa, ein pensionierter Abteilungsdirektor im Landtag von Kronoberg. Deshalb habe man aufgeatmet, als das Verkaufsschild verschwand und die Umzugsfuhre eines pensionierten Reserveoffiziers anrollte. Er war so etwas Vorsintflutliches wie ein Major der schonischen Husaren gewesen, Überlebender eines vergangenen Jahrhunderts. Er hieß Gustaf Jernberg und verständigte sich mit seiner Umwelt durch freundliches Gebrüll. Die Besorgnis war aber zurückgekehrt, als sich zeigte, daß Jernberg den größten Teil des Jahres in Spanien verbrachte, um seinen Rheumatismus zu kurieren. Das Haus wurde dann von einem etwa fünfunddreißigjährigen arroganten und unverschämten Enkel okkupiert, der sich nicht an die geltenden Regeln hielt. Er hieß Hans Jernberg und war angeblich eine Art Geschäftsmann, der zu kurzen Besuchen |488| auftauchte, oft mit seltsamen Bekannten im Schlepptau.
Die Polizei begann sofort mit der Suche nach Hans Jernberg. Er wurde gegen zwei Uhr nachmittags in einem Büro in Göteborg ausfindig gemacht. Wallander sprach selbst mit ihm am Telefon. Anfangs wollte er sich dumm stellen. Aber Wallander war nicht in der Laune, ihn lange zu bereden und die Wahrheit aus ihm herauszulocken. Er drohte sofort damit, ihn der Göteborger Polizei zu übergeben und die Presse einzuschalten. Mitten im Gespräch kam ein Kalmarer Polizist und reichte Wallander einen Zettel. Man hatte in verschiedenen Karteien geforscht und herausgefunden, daß Hans Jernberg intensive Beziehungen zu neonazistischen Bewegungen im Land unterhielt.
Wallander starrte auf das Stück Papier, und plötzlich fiel ihm ein, welche Frage er dem Mann am anderen Ende der Leitung natürlich stellen mußte. »Können Sie mir sagen, wie Sie über Südafrika denken?«
»Ich weiß nicht, was das mit der Sache zu tun hat«, gab Hans Jernberg zurück.
»Beantworten Sie meine Frage«, sagte Wallander ungeduldig. »Ich muß sonst die Kollegen in Göteborg hinzuziehen.«
Nach kurzem Schweigen kam die Antwort. »Ich betrachte Südafrika als eines der bestregierten Länder der Welt. Ich sehe es als meine Pflicht an, den Weißen, die dort leben, jede Unterstützung zu geben.«
»Und das tun Sie, indem Sie das Haus russischen Banditen zur Verfügung stellen, die für Südafrika arbeiten?«
Diesmal war Hans Jernberg wirklich überrascht. »Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
»Sie verstehen sehr wohl. Aber jetzt sollen Sie mir erst mal eine andere Frage beantworten. Wer von Ihren Freunden hatte in der letzten Woche Zugang zum Haus? Überlegen Sie, bevor Sie antworten. Die kleinste Ungenauigkeit, und ich verständige den Staatsanwalt in Göteborg, daß er Sie festsetzen soll. Und glauben Sie mir, es wird geschehen.«
»Ove Westerberg. Ein guter alter Freund, der hier in der Stadt eine Baufirma betreibt.«
|489| »Die Adresse«, forderte Wallander und bekam sie.
Es war ein gewaltiger Aufwand. Aber der effektive Einsatz einiger Göteborger Kriminalisten brachte eine gewisse Klarheit darüber, was in den letzten Tagen in der gelben Villa geschehen war. Ove Westerberg war, so zeigte es sich, ebenfalls ein großer Freund Südafrikas. Über verschiedene Kontakte, die sich ineinander verloren, hatte er vor einigen Wochen die Anfrage erhalten, ob das Haus für einige südafrikanische Gäste zur Verfügung gestellt werden könnte, gegen gute Bezahlung. Da Hans Jernberg zu dieser Zeit außer Landes weilte, hatte Ove Westerberg ihn nicht informiert. Wallander ahnte, daß auch das Geld in Westerbergs Taschen geblieben war. Aber was das für Gäste waren, wußte Westerberg nicht. Er wußte nicht einmal, ob sie wirklich dagewesen waren. Weiter kam Wallander an diesem Tag nicht. Es würde Aufgabe der Kalmarer Polizei sein, den Kontakten zwischen schwedischen Neonazis und Befürwortern der Apartheid in Südafrika nachzugehen. Weiter herrschte Unklarheit darüber, wer zusammen mit Konovalenko in der gelben Villa gewesen war. Während Nachbarn, Taxichauffeure und Busfahrer befragt wurden, durchsuchte Wallander gründlich das Haus.
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