Wallander 03 - Die weisse Löwin
Finger.«
»Ganz meine Meinung«, sagte Wallander. »Aber so gern wir auch wollen, wir dürfen diesen Finger nicht außer acht lassen.«
»Da sind zu viele lose Enden, die sich nicht verknüpfen lassen«, meinte Svedberg irritiert und kratzte sich die Glatze. »Wir müssen zusammentragen, was wir haben. Und zwar gleich. Sonst kommen wir nie weiter.«
Wallander ahnte in Svedbergs Worten eine versteckte Kritik an seiner Art, die Ermittlungen zu leiten. Aber er hatte es sich nicht leicht gemacht. Es bestand immer die Gefahr, sich zu schnell auf eine einzige Spur zu konzentrieren. Svedbergs Bildersprache spiegelte nur allzugut die Verwirrung wider, die er fühlte.
»Du hast recht«, sagte Wallander. »Sehen wir also, was wir haben. Louise Åkerblom wurde ermordet. Wir wissen nicht genau, wo, und von wem schon gar nicht. Aber wir wissen ungefähr, wann. In der Nähe des Fundortes explodiert ein leerstehendes Haus. In der Brandruine findet Nyberg Teile einer modernen Funkanlage und einen verkohlten Pistolenkolben. Dieser Waffentyp wird in Lizenz in Südafrika hergestellt. Im Hof finden wir einen abgehackten schwarzen Finger. Außerdem hat jemand versucht, Louise Åkerbloms Auto in einem Tümpel zu versenken. Reine Glückssache, daß wir den Wagen so schnell gefunden haben. Das gilt auch für ihren Körper. Weiterhin wissen wir, daß ihr direkt in die Stirn geschossen wurde und daß das Ganze wie eine Hinrichtung wirkt. Ich habe noch einmal im |124| Krankenhaus angerufen. Nichts deutet darauf hin, daß sie einem Sexualverbrechen zum Opfer gefallen ist. Sie ist ganz einfach erschossen worden.«
»Das alles muß in eine Reihe gebracht werden«, sagte Martinsson. »Wir müssen mehr Material haben. Über den Finger, das Funkgerät, die Pistole. Dieser Nachlaßverwalter in Värnamo muß sofort kontaktiert werden. Jemand muß doch in dem Haus gewesen sein.«
»Wir teilen das zwischen uns auf, bevor wir wieder an die Arbeit gehen«, entschied Wallander. »Ich selbst habe eigentlich nur zwei Gedanken, die ich darlegen möchte.«
»Fangen wir damit an«, sagte Björk.
»Wer könnte Louise Åkerblom erschossen haben? Ein Sexualverbrecher, das wäre denkbar gewesen. Sie ist jedoch laut vorläufiger Aussage des Arztes nicht vergewaltigt worden. Es gibt keine Spuren einer Mißhandlung, sie wurde auch nicht gefesselt. Sie hat keine Feinde. Was ich mir also denken kann, ist, daß das Ganze eine Verwechslung war. Sie wurde anstelle einer anderen Person getötet. Eine andere Möglichkeit ist, daß sie etwas gesehen oder gehört hat, was sie nicht sehen oder hören sollte.«
»Dazu würde das Haus passen«, unterbrach Martinsson. »Es lag in der Nähe der Immobilie, die sie besichtigen sollte. Und irgend etwas ging zweifellos in diesem Haus vor. Sie kann etwas gesehen haben und wurde erschossen. Peters und Norén haben das Haus besucht, das sie eigentlich besichtigen wollte, das der Witwe Wallin. Sie meinten beide, daß es sehr gut möglich sei, sich in den Wegen zu irren.«
Wallander nickte. »Weiter.«
»Viel mehr ist nicht«, sagte Martinsson. »Aus irgendeinem Grunde wurde ein Finger abgehackt. Falls es nicht im Zusammenhang mit der Sprengung passiert ist. Was eigentlich bei dem Schaden nicht sein kann. Bei einer solchen Explosion wird ein Mensch zu Pulver. Der Finger war ganz, abgesehen davon, daß er abgetrennt war.«
»Ich weiß nicht viel über Südafrika«, sagte Svedberg. »Nur daß es ein rassistisches Land ist, in dem Gewalt herrscht. Schweden unterhält keine diplomatischen Beziehungen zu Südafrika. |125| Außerdem spielen wir nicht Tennis mit ihnen und machen keine Geschäfte. Jedenfalls nicht offiziell. Was ich in meinem Leben nicht begreifen kann, ist, warum Verbindungen von Südafrika ausgerechnet nach Schweden existieren sollten. Sonstwohin ja, aber doch nicht hierher.«
»Vielleicht gerade deshalb«, murmelte Martinsson.
Wallander nahm Martinssons Kommentar sofort auf. »Was meinst du?«
»Nichts«, sagte Martinsson. »Ich glaube nur, wir müssen in ganz anderen Bahnen denken, wenn wir Ordnung in diese Ermittlung bringen wollen.«
»Genau meine Ansicht«, mischte sich Björk ein. »Morgen möchte ich einen schriftlichen Kommentar zu der ganzen Angelegenheit, von jedem einzeln. Vielleicht bringen uns ein paar Überlegungen in aller Ruhe weiter.«
Sie verteilten die Arbeit unter sich. Wallander übernahm den Anwalt in Värnamo, da Björk sich darum kümmern wollte, einen vorläufigen Bericht über die
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