Wallander 03 - Die weisse Löwin
Jan Kleyn wird es verstehen, dachte er.
Er ist wie ich. Er geht vom Reinen und gut Geplanten aus. Er verabscheut das Brutale, die Gewalt, der ein bestimmtes Ziel fehlt.
Dadurch, daß ich Präsident de Klerk töte, will er Schluß machen mit all dem sinnlosen Morden, das unser unglückliches Land heute prägt.
Ein Monster wie Konovalenko darf niemals in unserem Land Unterschlupf finden. Ein Monster darf niemals die Einreisegenehmigung für das irdische Paradies erhalten.
Drei Tage später erklärte Konovalenko, daß der Kurs beendet sei. »Ich habe dir beigebracht, was ich kann. Und du beherrschst das Gewehr. Du weißt, wie du denken mußt, wenn du erfährst, wer es ist, der bald in deinem Visier auftauchen wird. Du weißt, wie du vorgehen mußt, wenn du die endgültige Durchführung planst. Es ist Zeit, daß du wieder nach Hause fährst.«
»Eines ist mir noch unklar«, sagte Victor Mabasha. »Wie soll ich das Gewehr nach Südafrika bringen?«
»Du nimmst es natürlich nicht selbst mit«, antwortete Konovalenko |175| und verbarg nicht seine Verachtung für die aus seiner Sicht idiotische Frage. »Wir werden einen ganz anderen Transportweg wählen. Welchen, das mußt du nicht wissen.«
»Ich habe noch eine Frage. Die Pistole. Mit der habe ich ja noch kein einziges Mal geschossen.«
»Ist auch nicht nötig. Die ist für dich selbst. Falls du versagst. Das ist eine Waffe, die nie danebenschießt.«
Falsch, dachte Victor Mabasha. Ich werde sie nie auf meinen eigenen Kopf richten.
Diese Waffe werde ich an dir ausprobieren.
An diesem Abend war Konovalenko betrunkener als je zuvor. Mit blutunterlaufenen Augen saß er Victor gegenüber am Tisch und starrte ihn an.
Was mag er denken, fragte sich Victor Mabasha. Hat dieser Mann jemals Liebe erlebt? Wenn ich eine Frau wäre, wie würde es wohl sein, mit ihm das Bett zu teilen?
Die Gedanken erregten ihn. Die ganze Zeit sah er die tote Frau auf dem Hof vor sich.
»Du hast viele Fehler«, unterbrach Konovalenko seine Gedanken. »Dein größter Fehler aber ist, daß du sentimental bist.«
»Sentimental?«
Er wußte, was das bedeutete. Aber er war nicht sicher, in welchem Sinne Konovalenko das Wort gebrauchte.
»Es war dir nicht recht, daß ich diese Frau erschossen habe. In den letzten Tagen warst du unkonzentriert und hast sehr schlecht geschossen. In meinem Schlußbericht an Jan Kleyn werde ich auf deine Schwäche hinweisen. Sie beunruhigt mich.«
»Mich beunruhigt viel mehr, daß man so brutal sein kann wie du«, entgegnete Victor Mabasha.
Plötzlich gab es kein Zurück mehr. Er wußte, daß er jetzt sagen würde, was er von Konovalenko hielt.
»Du bist dümmer, als ich dachte«, provozierte Konovalenko weiter. »Ich nehme an, das liegt in der Natur der schwarzen Rasse.«
Victor Mabasha ließ die Worte in sein Bewußtsein einsickern. Dann stand er langsam auf. »Ich werde dich töten.«
|176| Konovalenko schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein. Das tust du nicht.«
Jeden Abend hatte Victor Mabasha die Pistole geholt, die auf dem Tisch hinter der Stahltür lag. Nun zog er sie hervor und richtete sie auf Konovalenko.
»Du hättest sie nicht töten sollen. Du hast uns beide, dich und mich, dadurch erniedrigt.«
Er sah, daß Konovalenko plötzlich Angst hatte. »Du bist verrückt. Du kannst mich nicht töten!«
»Es gibt nichts, was ich besser kann, als das zu tun, was getan werden muß«, entgegnete Victor Mabasha. »Steh auf. Langsam. Zeig deine Hände. Dreh dich um.«
Konovalenko tat, was er sagte.
Victor Mabasha merkte noch, daß etwas schiefging, da warf sich Konovalenko auch schon mit großer Gewandtheit zur Seite. Victor schoß, traf jedoch nur ein Bücherregal.
Woher das Messer kam, wußte er nicht. Aber Konovalenko hatte es in der Hand, als er sich mit einem Schrei auf ihn stürzte. Der Tisch brach unter ihrer vereinten Last zusammen. Victor war stark, aber auch Konovalenko verfügte über gewaltige Kräfte. Der unten liegende Victor sah das Messer, das sich seinem Gesicht langsam näherte. Der Griff lockerte sich erst, als es ihm gelang, Konovalenko in den Rücken zu treten. Die Pistole hatte er verloren. Er schlug mit der Faust nach seinem Gegner, ohne daß dieser eine Reaktion zeigte. Bevor er sich losmachen konnte, spürte er plötzlich ein Stechen in der linken Hand. Der ganze Arm war wie gelähmt. Aber es gelang ihm, Konovalenkos halbgeleerte Wodkaflasche zu packen. Er drehte sich um und schmetterte sie dem Mann an die Stirn.
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