Wallander 03 - Die weisse Löwin
schnell mit seiner neuen Wirklichkeit zu verschmelzen. Rykoff hielt sich bereits seit Anfang der achtziger Jahre in Schweden auf. Er hatte irrtümlich in Kiew einen KG B-Obersten erschossen und war deshalb außer Landes geflohen. Weil er ein dunkler Typ war, der arabisch wirkte, war er als persischer Flüchtling eingereist und bald als solcher anerkannt worden, obwohl er kein Wort Persisch sprach. Als er dann die schwedische Staatsbürgerschaft erhielt, nahm er seinen richtigen Namen Rykoff wieder an. Iraner war er nur, wenn er mit den schwedischen Behörden zu tun hatte. Um sich und seine angeblich iranische Ehefrau zu versorgen, hatte er schon während der Zeit im Sammellager in der Nähe von Flen ein paar einfache Banküberfälle ausgeführt. Dadurch verfügte er über ein anständiges Startkapital. Er hatte auch gemerkt, daß er Geld damit verdienen konnte, einen Empfangsservice für andere russische Bürger aufzubauen, die in einem wachsenden Strom, mehr oder weniger legal, nach Schweden einreisten. Sein etwas ungewöhnliches Reisebüro wurde schnell bekannt, und bald konnte er den Ansturm kaum noch bewältigen. Auf seiner Lohnliste standen Repräsentanten schwedischer Ämter, sogar Angestellte der Einwanderungsbehörde, und all das trug dazu bei, daß man dem Reisebüro Effektivität und gute Planung nachsagte. Manchmal irritierte es ihn, daß schwedische Beamte so schwer zu bestechen waren. Aber meistens gelang es ihm am Ende doch, wenn er behutsam vorging. Rykoff hatte auch die geschätzte Sitte eingeführt, alle Neuankömmlinge auf |184| eine richtige russische Mahlzeit in die Wohnung in Hallunda einzuladen.
Konovalenko hatte bald nach seiner Ankunft gemerkt, daß Rykoff unter der harten Schale lenkbar und charakterschwach war. Als Konovalenko sich außerdem noch an seine Frau heranzumachen begann und diese sich durchaus nicht unwillig zeigte, hatte er Rykoff bald da, wo er ihn haben wollte. Konovalenko richtete sein Dasein so ein, daß Rykoff die praktische Fußarbeit, sämtliche einförmigen Routineaufträge erledigen mußte.
Als Jan Kleyn Kontakt zu ihm aufgenommen und ihm angeboten hatte, sich um einen afrikanischen Berufskiller zu kümmern, der vor einem wichtigen Liquidationsauftrag in Südafrika stand, war es an Rykoff gewesen, alle praktischen Arrangements zu treffen. Der war es auch gewesen, der das Haus in Schonen gemietet und die Autos und den Proviant beschafft hatte. Er unterhielt Verbindungen zu Dokumentenfälschern und nahm die Waffe entgegen, die Konovalenko aus St. Petersburg hatte ins Land schmuggeln können.
Konovalenko wußte, daß Rykoff eine weitere Qualität besaß.
Er zögerte nicht zu töten, wenn es notwendig war.
Konovalenko nahm seine Tasche aus dem Auto, schloß ab und fuhr in den fünften Stock hinauf. Er hatte einen Schlüssel, zog es aber vor zu klingeln. Das Signal war einfach, eine Art codierte Version des Auftakts zur Internationalen. Tania öffnete. Sie sah ihn erstaunt an, als sie merkte, daß Victor Mabasha nicht bei ihm war.
»Kommst du schon? Wo ist der Neger?«
»Ist Vladimir zu Hause?« fragte Konovalenko, ihre Frage ignorierend.
Er reichte ihr die Tasche und betrat die Wohnung. Sie bestand aus vier Räumen und war mit teuren Ledersesseln, Marmortischen und den neuesten Modellen an Musikanlagen und Videorecordern vollgestellt. Alles war sehr geschmacklos, und Konovalenko wohnte nicht gerade gern hier. Aber jetzt war er dazu gezwungen.
Vladimir kam aus dem Schlafzimmer, in einen teuren Morgenrock |185| gehüllt. Im Unterschied zu der schlanken Tania war Vladimir Rykoff ungeheuer aufgequollen. Konovalenko dachte, daß es war, als hätte er ihm befohlen, fett zu werden. Vladimir hätte gegen einen solchen Befehl wahrscheinlich nicht einmal protestiert.
Tania trug eine einfache Mahlzeit auf und stellte eine Wodkaflasche auf den Tisch. Konovalenko erzählte, was sie seiner Meinung nach wissen mußten. Die Frau jedoch, die er hatte töten müssen, erwähnte er nicht.
Die wichtigste Information war, daß Victor Mabasha einen unerklärlichen Zusammenbruch gehabt hatte. Nun irrte er irgendwo in Schweden umher und mußte unbedingt liquidiert werden.
»Warum hast du das nicht gleich in Schonen erledigt?« fragte Vladimir.
»Es gab gewisse Schwierigkeiten.«
Weder Vladimir noch Tania fragten weiter.
Während der Autofahrt hatte Konovalenko gründlich darüber nachgedacht, was geschehen war und nun geschehen mußte. Es war ihm klargeworden, daß Victor Mabasha
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