Wallander 03 - Die weisse Löwin
namens Sikosi Tsiki, der zweite auf seiner ursprünglichen Liste, würde Victor Mabashas Platz einnehmen und die gleiche Vorbereitung durchlaufen.
Das einzige, was Jan Kleyn nach wie vor eigentümlich vorkam, war das Geschehen, das offensichtlich Victor Mabashas Zusammenbruch ausgelöst hatte. Wie konnte ein Mann wie dieser Schwarze so impulsiv auf den Tod einer unbedeutenden schwedischen Frau reagieren? Gab es in ihm trotz allem einen schwachen Punkt der Sentimentalität? Dann war es Glück, daß der |208| Fehler rechtzeitig entdeckt worden war. Was hätte sonst wohl passieren können, wenn Victor Mabasha plötzlich sein Opfer im Visier gesehen hätte? Er verdrängte die Gedanken an Victor Mabasha und kehrte statt dessen zu den Überlegungen zurück, die um die Tatsache kreisten, daß er ohne sein Wissen überwacht worden war. Seine Datenbanken hatten keine Details enthalten, keine Namen, Orte, nichts. Aber es war ihm klar, daß ein fähiger Geheimdienstoffizier dennoch gewisse Schlüsse ziehen konnte. Nicht zuletzt den, daß ein ungewöhnliches und entscheidendes politisches Attentat geplant wurde.
Jan Kleyn dachte, daß er unwahrscheinliches Glück gehabt hatte. Er hatte den Zugriff auf die Datenbänke rechtzeitig entdeckt und konnte noch darauf reagieren.
Oberst Franz Malan kletterte in den Helikopter, der auf dem speziellen Armeeflugplatz in der Nähe von Johannesburg wartete. Es war Viertel nach sieben, und er rechnete damit, um acht in Durban zu sein. Er nickte dem Piloten zu, legte den Sicherheitsgurt an und blickte zur Erde, als sie abhoben. Er war müde. Der Gedanke daran, was Jan Kleyn solche Sorgen bereitete, hatte ihn bis zum Morgengrauen nicht schlafen lassen.
Nachdenklich betrachtete er die afrikanische Vorstadt, die sie überflogen. Er sah den Verfall, die Slums, den Rauch der Feuer.
Wie sollten die uns besiegen können? Wir müssen nur nachdrücklich zeigen, daß wir es ernst meinen. Es wird viel Blut kosten, auch das von Weißen, wie gestern abend in Pinetown. Aber eine Fortsetzung der weißen Herrschaft in Südafrika ist nicht gratis zu haben. Sie erfordert Opfer.
Er lehnte sich zurück, schloß die Augen und versuchte zu schlafen.
Bald würde er erfahren, welche Sorgen Jan Kleyn hatte.
Sie erreichten das abgesperrte Restaurant in Pinetown mit einem Zeitabstand von zehn Minuten. Eine gute Stunde verbrachten sie in dem blutbeschmierten Raum, zusammen mit den Beamten der lokalen Mordkommission unter Leitung von Kommissar de Beer. Jan Kleyn und Franz Malan konnten feststellen, daß die Attentäter ihre Sache gut erledigt hatten. Die Zahl der Toten war |209| etwas höher kalkuliert gewesen, aber das war eine Nebensächlichkeit. Das Massaker an den unschuldigen Weinverkostern hatte den erwarteten Effekt. Ausbrüche wahnsinniger Wut und Rufe nach Rache von seiten der Weißen waren bereits laut geworden. Im Autoradio hatte Jan Kleyn gehört, wie Nelson Mandela und Präsident de Klerk jeder für sich die Tat verurteilten. De Klerk hatte den Terroristen außerdem mit gewaltsamer Vergeltung gedroht.
»Gibt es irgendwelche Hinweise darauf, wer diese Wahnsinnstat hier ausgeführt hat?« erkundigte sich Jan Kleyn.
»Noch nicht«, antwortete Samuel de Beer. »Es gibt nicht einmal einen Zeugen, der das Fluchtauto gesehen hat.«
»Am besten wäre es, wenn die Regierung sofort eine Belohnung aussetzte«, sagte Franz Malan. »Ich werde den Verteidigungsminister persönlich bitten, sich beim nächsten Kabinettstreffen dafür einzusetzen.«
Im selben Augenblick drang Lärm von der abgesperrten Straße herein, wo sich viele Weiße versammelt hatten. Viele trugen demonstrativ Waffen, und Schwarze, die den Auflauf sahen, nahmen lieber einen anderen Weg. Die Tür zum Restaurant flog auf, und herein stürmte eine weiße Frau von etwa Mitte Dreißig. Sie war erregt, an der Grenze zur Hysterie. Als sie Kommissar Sibande erblickte, den zu dieser Zeit einzigen Schwarzen im Lokal, zog sie plötzlich eine Pistole hervor und feuerte in seine Richtung. Harry Sibande gelang es, sich auf den Boden zu werfen und hinter einem umgestürzten Tisch Deckung zu nehmen. Aber die Frau ging direkt auf den Tisch zu und gab aus der Pistole, die sie verkrampft mit beiden Händen hielt, weitere Schüsse ab. Die ganze Zeit über brüllte sie auf
afrikaans
, sie würde ihren Bruder rächen, der am Abend zuvor getötet worden war. Sie würde erst aufhören, wenn auch der letzte Kaffer ausgerottet sei.
Samuel de Beer warf sich auf
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