Wallander 03 - Die weisse Löwin
konnte einen Zusammenhang |230| zwischen den Morden an Louise Åkerblom und Tengblad geben.
Sie beendeten die Sitzung damit, die Personen durchzugehen, die das nun gesprengte Haus geerbt hatten.
»Das hier kann warten«, sagte Wallander danach. »Hier wird es kaum etwas geben, was uns weiterbringt.«
Dann schickte er Svedberg und Martinsson nach Hause. Er selbst blieb noch eine Weile in seinem Büro und rief Staatsanwalt Per Åkesson zu Hause an. Er gab ihm einen kurzen Lagebericht.
»Es ist äußerst mißlich, wenn wir diesen Mordfall nicht schnell aufklären können«, sagte Åkesson.
Wallander konnte nicht umhin, ihm zuzustimmen. Sie beschlossen, sich am frühen Montag morgen zu treffen, um die bisherige Ermittlungsarbeit gründlich unter die Lupe zu nehmen. Wallander merkte, daß Åkesson befürchtete, später wegen eventueller Versäumnisse kritisiert zu werden. Er beendete das Gespräch, knipste die Schreibtischlampe aus und verließ das Polizeigebäude. Dann fuhr er den langgezogenen Hügel hinunter und bog auf den Parkplatz des Krankenhauses ein.
Björk ging es schon besser, und er rechnete damit, am Montag entlassen zu werden. Wallander berichtete ihm, und Björk schien es ebenfalls angebracht, daß Wallander nach Stockholm reiste.
»Das hier war eigentlich immer eine ruhige Gegend«, sagte er, als Wallander aufstand, um zu gehen. »Hier passierte selten etwas Aufsehenerregendes. Nun scheint alles anders geworden zu sein.«
»Nicht nur hier«, wandte Wallander ein. »Du sprichst von einer anderen Zeit.«
»Ich fange an, alt zu werden«, seufzte Björk.
»Da bist du nicht der einzige.«
Die Worte blieben ihm im Ohr, als er das Krankenhaus verließ. Es war bald halb sieben, und er merkte, daß er hungrig war. Der Gedanke, sich zu Hause hinzustellen und etwas zuzubereiten, machte ihn jedoch nicht gerade froh. Er beschloß, doch lieber auswärts zu essen. Er fuhr heim, duschte und zog sich um. Dann versuchte er, seine Tochter Linda in Stockholm anzurufen. Er |231| ließ es lange klingeln. Schließlich gab er auf. Er ging in den Keller hinunter und schrieb sich für die Waschküche ein. Dann spazierte er ins Zentrum. Es war nicht mehr so windig, aber immer noch kühl.
Alt werden, dachte er. Ich bin erst vierundvierzig und fange schon an, mich verbraucht zu fühlen.
Die Gedanken weckten in ihm eine plötzliche Wut. Er selbst und niemand anders entschied doch, ob er sich vorzeitig alt fühlte. Daran konnte er weder seinem Job noch der nun fünf Jahre zurückliegenden Scheidung die Schuld geben. Die Frage war nur, wie er seine Situation verändern könnte.
Er erreichte den Marktplatz und überlegte, wohin er gehen sollte. In einem Anfall von Verschwendungssucht entschied er sich für das Continental.
Er lief die Hamngata hinunter, blieb einen Augenblick vor dem Schaufenster des Lampenladens stehen und schlenderte dann weiter in Richtung Hotel. Er nickte dem Mädchen an der Rezeption zu; sie war eine Klassenkameradin seiner Tochter gewesen.
Das Restaurant war fast leer. Einen Augenblick lang ärgerte er sich. Allein in einem leeren Speisesaal zu essen, schien ihm allzu öde. Aber dann setzte er sich erst mal an die Bar. Er hatte eine Entscheidung getroffen und war zu träge, sie rückgängig zu machen.
Morgen fange ich an, mein Leben zu ändern, dachte er und verzog das Gesicht. Immer verschob er Wichtiges auf die Zukunft, wenn es um das eigene Leben ging. In seinem Job vertrat er dagegen nachdrücklich das entgegengesetzte Prinzip. Das Wichtige kam da zuerst. Als Mensch war er also wie in zwei Hälften gespalten.
Ein junger Servierer kam zu ihm und fragte, was er zu trinken wünsche. Wallander hatte das Gefühl, den Mann zu kennen, ohne ihn jedoch direkt einordnen zu können.
»Whisky«, sagte er. »Ohne Eis. Aber dazu bitte ein Glas Wasser.«
Als er den Drink bekam, kippte er ihn sofort hinunter und bestellte einen neuen. Ihm war selten danach, sich zu betrinken. Aber an diesem Abend wollte er sich gehenlassen.
|232| Als er seinen dritten Whisky bekam, fiel ihm ein, woher er den Servierer kannte. Vor ein paar Jahren hatte Wallander ihn im Zusammenhang mit einigen Einbrüchen und Autodiebstählen verhört. Er war dann später festgenommen und verurteilt worden.
Für den ist es also gutgegangen, dachte er. Und ich werde ihn nicht an seine Vergangenheit erinnern. Vielleicht sollte man sogar behaupten, daß es ihm besser ergangen ist als mir? Wenn man die Voraussetzungen betrachtet?
Er spürte
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