Wallander 03 - Die weisse Löwin
ein schwarzer Finger. Wir können außerdem mit großer Sicherheit davon ausgehen, daß der Mann, der seinen Finger verloren hat, nicht allein war, falls er der Täter sein sollte. Alfred Hanson hat das Haus nicht an einen Afrikaner vermietet. Das wissen wir mit Bestimmtheit. Aber wir wissen nicht, wer der Mann war, der sich Nordström nannte und ihm zehntausend Kronen auf den Tisch gelegt hat. Genausowenig wissen wir, wozu das Haus benutzt wurde. Hinsichtlich der Beziehungen dieser Menschen zu Louise Åkerblom oder zu dem gesprengten Haus, der Funkanlage und der Pistole haben wir lediglich unbestätigte und vage Theorien. Am allergefährlichsten sind Ermittlungen, die Vermutungen provozieren und nicht logisches Denken. Die Theorie, die trotz allem gerade jetzt am glaubwürdigsten erscheint, ist die, daß Louise Åkerblom etwas gesehen hat, was sie nicht sehen sollte. Aber was sind das für Menschen, die eine regelrechte Hinrichtung vornehmen? Das ist es, was wir herausfinden müssen.«
Sie saßen schweigend um den Tisch herum und dachten über seine Worte nach. Eine Putzfrau öffnete die Tür und schaute herein.
»Nicht jetzt«, sagte Wallander.
Sie machte die Tür wieder zu.
»Ich werde mich heute mit den Hinweisen beschäftigen, die eingegangen sind«, erklärte Svedberg. »Wenn ich Hilfe brauche, melde ich mich. Etwas anderes werde ich kaum schaffen.«
»Es ist vielleicht gut, wenn wir uns in bezug auf Stig Gustafson Klarheit verschaffen«, sagte Martinsson. »Ich könnte sein Alibi überprüfen, soweit es an einem solchen Tag möglich |226| ist. Wenn nötig, fahre ich nach Malmö. Aber zuerst versuche ich, diesen Blumenhändler Forsgård zu erwischen, den Gustafson auf dem Pissoir getroffen haben will.«
»Das hier ist ein Mordfall«, erinnerte Wallander. »Macht die Leute ausfindig und kümmert euch nicht darum, daß sie auf ihren Sommergrundstücken ihre Ruhe haben wollen.«
Sie beschlossen, sich um fünf wieder zu treffen, um sich abzustimmen. Wallander holte Kaffee, ging in sein Zimmer und rief Nyberg zu Hause an.
»Du bekommst meinen Bericht am Montag«, sagte Nyberg. »Aber du weißt das Wichtigste bereits.«
»Nein. Ich weiß immer noch nicht, warum das Haus abgebrannt ist. Ich kenne die Brandursache nicht.«
»Darüber solltest du doch wohl besser mit dem Leiter der Brandbekämpfung sprechen. Er hat vielleicht eine plausible Erklärung. Wir sind noch nicht soweit.«
»Ich dachte, wir arbeiten zusammen, Feuerwehr und Polizei«, sagte Wallander irritiert. »Aber vielleicht gibt es neue Bestimmungen, die ich noch nicht kenne?«
»Wir haben keine eindeutige Erklärung.«
»Und was glaubst du? Was vermutet die Feuerwehr? Was denkt Peter Edler?«
»Es muß eine so starke Detonation gewesen sein, daß vom Sprengsatz nichts übriggeblieben ist. Wir haben darüber gesprochen, daß es vielleicht eine Serie von Explosionen war.«
»Nein«, sagte Wallander. »Es war nur eine Detonation.«
»So meinte ich es auch nicht«, erklärte Nyberg geduldig. »Man kann zehn Explosionen in der Sekunde arrangieren, wenn man geschickt genug ist. Es handelt sich um eine Kette, wo jede Sprengung eine Zehntelsekunde Verzögerung hat. Aber der Effekt wird dadurch ungemein erhöht. Das hat mit dem veränderten Luftdruck zu tun.«
Wallander dachte kurz nach. »Also waren es keine Amateure.«
»Ganz bestimmt nicht.«
»Kann es eine andere Erklärung für den Brand geben?«
»Kaum.«
|227| Wallander warf einen Blick in seine Papiere, bevor er weiterfragte. »Was kannst du mir noch über die Funkanlage sagen? Es heißt, es handle sich um ein russisches Fabrikat.«
»Das ist kein Gerücht. Das habe ich bestätigen können. Ich habe da Unterstützung vom Militär erhalten.«
»Was ziehst du daraus für Schlußfolgerungen?«
»Überhaupt keine. Das Militär ist sehr daran interessiert, herauszubekommen, wie die Anlage ins Land gebracht werden konnte. Das ist ein Mysterium.«
Wallander ging zum nächsten Punkt über. »Der Pistolengriff?«
»Nichts Neues.«
»Etwas anderes?«
»Eigentlich nicht. Der Bericht wird keine überraschenden Entdeckungen enthalten.«
Wallander beendete das Gespräch. Dann tat er etwas, wozu er sich während der Beratung am Morgen entschieden hatte. Er wählte die Nummer der Polizeizentrale auf Kungsholmen und bat darum, mit Kommissar Lovén verbunden zu werden. Wallander hatte ihn im vergangenen Jahr kennengelernt, während der Arbeit an dem Fall mit den zwei Leichen im Schlauchboot, die
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