Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
überraschend aus. »Armer Kerl.«
»Das war eine schreckliche Geschichte«, fügte seine Frau hinzu. »Warum interessiert sich die Polizei plötzlich für ihn?«
»Sie kennen ihn also«, sagte Wallander. Er sah, daß Ann-Britt Höglund rasch einen Notizblock aus ihrer Handtasche holte.
»Ein netter Mann«, sagte Bertil Forsdahl. »Ruhig und friedlich. Jederzeit freundlich und zuvorkommend. Solche Menschen gibt es heute kaum noch auf der Welt.«
»Wir würden gern mit ihm in Kontakt kommen.«
Bertil Forsdahl und seine Frau sahen sich an. Wallander hatte plötzlich das Gefühl, einen wunden Punkt getroffen zu haben.
»Lars Borman ist tot«, sagte Bertil Forsdahl. »Ich dachte, das wüßten Sie.«
Wallander schwieg eine Weile. »Wir wissen nichts über Lars Borman«, sagte er endlich. »Lediglich daß er im vergangenen Jahr zwei Briefe geschrieben hat; einer davon steckte in einem Kuvert aus Ihrem Hotel. Wir wollten ihn finden und befragen. Nun ist klar, daß es nicht mehr möglich ist. Aber wir würden gern erfahren, was geschehen ist. Und wer er war.«
»Er war regelmäßig bei uns zu Gast«, antwortete Bertil Forsdahl. »Über viele Jahre kam er etwa jeden vierten Monat und blieb meistens zwei bis drei Tage.«
»Was hatte er für einen Beruf? Woher stammte er?«
»Lars Borman war bei der Bezirksbehörde angestellt«, sagte Frau Forsdahl. »Er hatte mit Ökonomie zu tun.«
»Revisor«, ergänzte Bertil Forsdahl. »Ein pflichtbewußter und ehrlicher Beamter des Regierungsbezirks Malmöhus.«
»Er wohnte in Klagshamn«, sagte seine Frau. »Hatte Frau und Kind. Das Ganze war eine schreckliche Tragödie.«
»Was ist denn passiert?« fragte Wallander.
»Er beging Selbstmord«, sagte Bertil Forsdahl leise. Wallander merkte, daß die Erinnerung alte Wunden aufriß.
|137| »Lars Borman war der Mensch, von dem wir einen Selbstmord am wenigsten erwartet hätten«, fuhr Bertil Forsdahl fort. »Aber offenbar trug er an einem Geheimnis, das sich keiner von uns vorstellen konnte.«
»Was ist passiert?« wiederholte Wallander.
»Er war hier in Helsingborg, einige Wochen bevor wir zumachten. Tagsüber ging er seinem Beruf nach, abends hielt er sich im Zimmer auf. Er hat viel gelesen. Am letzten Morgen bezahlte er die Rechnung und verabschiedete sich. Er versprach, von sich hören zu lassen, auch wenn es das Hotel nicht mehr geben würde. Dann reiste er ab. Einige Wochen später erfuhren wir, was geschehen war. An einem Sonntagmorgen war er mit dem Rad losgefahren und hatte sich in einem Wäldchen nahe Klagshamn erhängt, ein paar Kilometer von seinem Haus entfernt. Er hinterließ nichts, keine Erklärung, keinen Brief, weder an seine Frau noch an die Kinder. Es war für alle wie ein Schock.«
Wallander nickte nachdenklich. Er war in Klagshamn aufgewachsen und überlegte, in welchem Wäldchen Lars Borman sein Leben beendet haben könnte. Vielleicht hatte er selbst als Kind dort gespielt?
»Wie alt war er?« fragte er.
»Gerade fünfzig«, antwortete Frau Forsdahl. »Jedenfalls nicht viel darüber.«
»Er wohnte also in Klagshamn und arbeitete als Revisor bei der Bezirksbehörde«, sagte Wallander. »Es wundert mich, daß er im Hotel übernachtete. So weit ist es ja nun auch wieder nicht von Malmö nach Helsingborg.«
»Er fuhr nicht gern Auto«, antwortete Bertil Forsdahl. »Außerdem, glaube ich, gefiel es ihm bei uns. Er konnte sich auf sein Zimmer zurückziehen und in Ruhe lesen. Wir ließen ihn in Frieden. Das wußte er zu schätzen.«
»In den Anmeldungen findet sich bestimmt seine Adresse, oder?«
»Wir haben gehört, daß seine Witwe das Haus verkauft hat und weggezogen ist. Sie hielt es dort nicht mehr aus, nach dem, was geschehen war. Und seine Kinder sind erwachsen.«
|138| »Wissen Sie, wohin sie gezogen ist?«
»Nach Spanien. Marbella heißt das, glaube ich.«
Wallander schaute zu Ann-Britt Höglund, die eifrig mitschrieb.
»Jetzt möchte ich mal eine Frage stellen«, sagte Bertil Forsdahl. »Warum interessiert sich die Polizei plötzlich für den armen Lars Borman?«
»Reine Routine«, antwortete Wallander. »Mehr darf ich leider nicht sagen. Aber er war und ist keinesfalls verdächtig, ein Verbrechen begangen zu haben.«
»Er war ein ehrlicher Mensch«, sagte Bertil Forsdahl. »Er meinte, man solle einfach und rechtschaffen leben. Wir haben uns im Laufe der Jahre oft unterhalten. Er regte sich immer auf, wenn wir auf die Unehrlichkeit zu sprechen kamen, die sich in der Gesellschaft
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