Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
deinen Vater offenbar auf, eine neue Nummer zu ziehen. Dein Vater weigert sich, inzwischen wird der nächste Kunde ungeduldig und will bedient werden. Er drängt deinen Vater zur Seite, da wird dieser zur Verwunderung aller plötzlich wütend und beginnt, auf den Mann einzuschlagen. Der Verkäufer mischt sich ein und bekommt auch etwas ab. Den Rest kannst du dir denken. Aber ich kann dich beruhigen; niemand wurde verletzt. Dein Vater hat vielleicht Schmerzen in der rechten Hand. Er scheint noch sehr kräftig zu sein, trotz seines Alters.«
»Wo ist er?«
|187| Torsten Lundström zeigte auf eine Tür im Hintergrund.
»Was geschieht nun?« fragte Wallander.
»Du kannst ihn nach Hause fahren. Er muß mit einer Anzeige rechnen, falls du dich nicht mit dem Kunden und dem Verkäufer einigen kannst. Ich werde mit dem Staatsanwalt reden.«
Er schob Wallander einen Zettel hin, auf dem zwei Namen standen. »Der Verkäufer ist nicht das Problem, den kenne ich. Aber mit dem anderen könnte es Schwierigkeiten geben. Er heißt Sten Wickberg und hat eine Spedition. Wohnt in Kivik. Es sieht so aus, als ob er sich an deinem Vater rächen will. Ruf ihn doch mal an, die Nummer habe ich aufgeschrieben. Außerdem ist dein Vater dem Taxifahrer 230 Kronen schuldig geblieben. In der ganzen Aufregung hat niemand daran gedacht, die Fahrt zu bezahlen. Der Fahrer heißt Waldemar Kåge. Ich habe mit ihm gesprochen; er weiß, daß er das Geld bekommt.«
Wallander steckte den Zettel ein. Dann machte er eine Geste in Richtung der Tür zum Nebenraum: »Wie geht es ihm?«
»Ich glaube, er hat sich beruhigt. Aber er meint, es sei sein gutes Recht, sich zu verteidigen.«
»Sich zu verteidigen?« fragte Wallander erstaunt. »Er war es doch, der die Schlägerei begonnen hat, oder?«
»Er meint, er hätte das Recht gehabt, seinen Platz in der Schlange zu verteidigen«, erläuterte Torsten Lundström.
»Herrgott!«
Torsten Lundström stand auf. »Ihr könnt jetzt heimfahren«, sagte er. »Übrigens, habe ich richtig gehört – dein Auto ist verbrannt?«
»Vermutlich ein Defekt an der Elektrik«, sagte Wallander ausweichend. »Außerdem war der Wagen schon alt.«
»Ich geh eine Weile hinaus«, sagte Torsten Lundström. »Du kannst die Tür dann einfach zuziehen.«
»Danke für die Hilfe.«
»Keine Ursache«, sagte Torsten Lundström, setzte seine Mütze auf und verließ den Raum.
Wallander klopfte an die Tür und trat ein. Sein Vater saß an einer kahlen Wand auf der Bank und reinigte sich mit einem |188| Stück Draht die Fingernägel. Als er sah, daß es sein Sohn war, stand er auf.
»Du konntest natürlich nicht schneller kommen«, sagte er vorwurfsvoll. »Wie lange wolltest du mich eigentlich noch hier schmoren lassen?«
»Ich bin gekommen, so schnell es ging. Wir können jetzt fahren.«
»Erst muß ich das Taxi bezahlen. Ich will niemandem etwas schuldig bleiben.«
»Das können wir später erledigen«, sagte Wallander zum Aufbruch.
Sie verließen das Polizeirevier und stiegen ins Auto. Auf der Fahrt wechselten sie kein Wort. Wallander merkte, daß sein Vater offenbar vergessen hatte, was geschehen war.
Erst als sie sich der Abfahrt nach Glimmingehus näherten, brach Wallander das Schweigen. »Was ist eigentlich aus Anton und dem Polen geworden?«
»Du erinnerst dich an sie?« fragte der Vater erstaunt.
»Auch damals gab es eine Schlägerei.«
»Ich dachte, du hättest das vergessen. Was aus dem Polen wurde, weiß ich nicht. Es ist fast zwanzig Jahre her, seit ich zuletzt von ihm gehört habe. Da war er gerade in eine andere Branche gewechselt, weil es dort angeblich mehr zu verdienen gab – Pornohefte. Wie es wirklich lief, weiß ich nicht. Aber Anton ist tot. Er hat sich totgesoffen, ist nun auch schon fünfundzwanzig Jahre her.«
»Was wolltest du im Systembolag?«
»Das, was alle dort wollen – Cognac kaufen.«
»Aber du magst doch gar keinen Cognac?«
»Meine Frau trinkt abends gern ein Gläschen.«
»Gertrud trinkt Cognac?«
»Warum nicht? Glaub bloß nicht, daß du ihr Vorschriften machen kannst, so wie du ein Leben lang versucht hast, mich zu bevormunden.«
Wallander traute seinen Ohren nicht. »Ich habe dich doch nicht bevormundet«, sagte er böse. »Im Gegenteil, du hast dich ständig in meine Angelegenheiten gemischt.«
|189| »Wenn du auf mich gehört hättest, wärst du niemals Polizist geworden«, sagte der Vater ruhig. »Und wenn man an die Ereignisse der letzten Jahre denkt, wäre es nur von
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