Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
Fortsetzung.
»Ich habe alles aufgeschrieben, was er mir gesagt hat. Das Investmentunternehmen Smeden hat in den letzten Jahren einige Veränderungen durchlaufen. Aufsichtsräte kamen und gingen, teilweise wurde der Aktienhandel wegen des Verdachts unlauterer Geschäfte und anderer Übertretungen der Börsenregeln gestoppt. Beträchtliche Aktienpakete wechselten viele Male und auf verschlungenen Wegen die Besitzer. Das Investmentunternehmen Smeden war ein Paradebeispiel für das, was wir mangelndes Verantwortungsgefühl der Finanzwelt nennen. Bis vor ein paar Jahren. Da begann eine Anzahl ausländischer Maklerfirmen, unter anderem in England, Belgien und Spanien, große Aktienposten aufzukaufen. Anfangs deutete nichts darauf hin, daß hinter all diesen Maklern ein und derselbe Auftraggeber stand, zumal die Transaktionen sehr behutsam erfolgten; man wollte keine Aufmerksamkeit erregen. Zu diesem Zeitpunkt interessierte sich auch kaum jemand für Smeden, man konnte das Unternehmen einfach nicht mehr ernst nehmen, die Massenmedien am wenigsten. Jedesmal wenn der Börsenvorstand mit Journalisten zusammenkam, verbat er sich alle Fragen über Smeden. Aber eines Tages hatten die Maklerfirmen plötzlich so große Aktienanteile erworben, daß man sich doch zu fragen begann, wer sich so für dieses |199| heruntergewirtschaftete Unternehmen interessierte. Es zeigte sich, daß Smeden in die Hände eines nicht ganz unbekannten Engländers namens Robert Maxwell geraten war.«
»Der Name sagt mir nichts«, meinte Wallander. »Wer ist das?«
»Ein toter Mann«, antwortete sie. »Er fiel vor ein paar Jahren vor der spanischen Küste von seiner Luxusyacht. Es ging das Gerücht, er sei vielleicht ermordet worden. Man sprach vom Mossad, dem israelischen Geheimdienst, und von mysteriösen Waffengeschäften. Offiziell besaß Maxwell Zeitungen und Buchverlage, alles von Liechtenstein aus gesteuert. Als er starb, fiel sein Imperium wie ein Kartenhaus zusammen. Was er hinterließ, waren Schulden und veruntreute Rentenfonds. Der Konkurs schlug hohe Wellen. Aber seine Söhne sollen in seine Fußstapfen getreten sein.«
»Ein Engländer«, murmelte Wallander. »Was bedeutet das?«
»Daß dort nicht Endstation war. Die Aktien sollten in neue Hände gelangen.«
»Und in wessen Hände?«
»Nun ja, es gab jemanden im Hintergrund. Robert Maxwell hatte im Auftrag einer anderen Person gehandelt, die im verborgenen bleiben wollte. Diese Person war ein Schwede, und damit schließt sich ein seltsamer Kreis.«
Er sah sie gespannt an.
»Kannst du dir denken, von wem ich rede?« fragte sie.
»Nein, keine Ahnung.«
»Dreimal darfst du raten.«
Im selben Moment begriff Wallander, daß er die Antwort wußte. »Alfred Harderberg.«
Ann-Britt Höglund nickte.
»Der Mann von Schloß Farnholm«, fügte Wallander leise hinzu.
Eine Weile saßen sie schweigend da.
»Mit anderen Worten: über Smeden kontrollierte er auch STRUFAB«, sagte sie dann.
Wallander schaute sie nachdenklich an. »Gut. Sehr gut.«
|200| »Der Dank gebührt meinem Kommilitonen von der Polizeihochschule. Er arbeitet jetzt in Eskilstuna. Da ist aber noch eine Sache.«
»Was denn?«
»Ich weiß nicht, ob es wichtig ist, aber als ich auf dich wartete, kam mir ein Gedanke. Gustaf Torstensson starb auf dem Heimweg von Schloß Farnholm. Lars Borman hat sich erhängt. War es vielleicht so, daß sie beide, jeder auf seine Weise, auf dieselbe Sache gestoßen sind? Was immer es auch war?«
Wallander nickte langsam. »Du kannst recht haben. Ich glaube sogar, daß wir noch eine Schlußfolgerung ziehen können. Wir haben keinen Beweis, aber es steht wohl fest: Lars Borman starb nicht von eigener Hand. Genausowenig kam Gustaf Torstensson bei einem Autounfall ums Leben.«
Wieder schwiegen sie.
»Alfred Harderberg«, sagte sie schließlich. »Sollte wirklich er hinter all dem stecken?«
Der Gedanke traf Wallander unerwartet. Oder hatte er es doch geahnt?
Er sah sie an.
»Warum nicht Alfred Harderberg? Durchaus möglich.«
|201| 10
Später würde Wallander die folgende Woche immer als eine Zeit im Gedächtnis behalten, in der die Polizei rund um den ungeklärten Mordfall unsichtbare Barrikaden errichtete. Es war, als hätten sie in kürzester Zeit und unter großen Schwierigkeiten einen komplizierten Feldzug vorbereitet. Der Vergleich war gar nicht so abwegig, denn sie hatten sich Alfred Harderberg zum Feind erkoren; einen Mann, der nicht nur ein lebendes Monument war, sondern auch
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