Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
Daraus würde man die Schlußfolgerung ableiten, daß die Polizei keinesfalls unterbesetzt ist – im Gegenteil, so gesehen gibt es sogar viel zu viele |217| Polizisten. So viele, daß sie sich gegenseitig im Wege stehen, sinnlos Geld verbrauchen und die Aufklärungsstatistik versauen.«
»Mach mal halblang«, bremste ihn Wallander verwundert. »Bisher haben wir doch noch gar keine Ergebnisse vorzuweisen.«
»Ich spreche ja auch von der Reichspolizeiführung, von der rätselhaften Welt der Politiker, in der man mit großen Worten um sich wirft und versucht, das berühmte Kamel durchs Nadelöhr zu bringen. Wo man jeden Abend vor dem Schlafengehen um die Fähigkeit betet, am nächsten Tag Wasser in Wein verwandeln zu können. Ich spreche nicht davon, daß wir immer noch nicht wissen, wer die beiden Anwälte umgebracht hat. Ich spreche nur von dem, was wir jetzt mit Sicherheit wissen: daß Alfred Harderberg nicht der vorbildliche und über jeden Verdacht erhabene Bürger ist, als der er bisher dastand.«
Und so war es auch. In dieser Woche entstand ein Schema von Alfred Harderbergs Imperium, das natürlich keinesfalls vollständig war, das dunkle Flecken und schwarze Löcher aufwies, so daß es geraten schien, den Mann von Schloß Farnholm nicht aus den Augen zu lassen.
Als Åkeson und Wallander vor dem Polizeigebäude standen, am 14. November, um genau zu sein, waren sie in der Lage, gewisse Schlüsse zu ziehen. Die erste Phase lag hinter ihnen, die Jagd war planmäßig verlaufen, nichts war nach außen gedrungen. Das Bild eines beeindruckenden Geschäftsimperiums zeichnete sich ab, und irgendwo mußten Lars Borman und Gustaf Torstensson etwas entdeckt haben, was sie lieber nicht gesehen hätten.
Die Frage war nur: was?
Die Arbeit war hektisch gewesen. Aber Wallander hatte seine Truppen gut organisiert und die undankbarsten Aufgaben selbst übernommen, die sich oft als die interessantesten erwiesen. Sie hatten Alfred Harderbergs Aufstieg nachgezeichnet, vom Sohn eines stets alkoholisierten Holzhändlers aus Vimmerby zum Herrscher über einen Firmenverbund, der Milliardenumsätze im In- und Ausland kontrollierte.
|218| Irgendwann während des Studiums der Jahresberichte und Bilanzen meinte Svedberg: »Es ist einfach nicht möglich, daß ein Mann, der so viel besitzt, ehrlich ist.«
Aber schließlich war es Sven Nyberg, der mürrische und verschlossene Kriminaltechniker, der ihnen die entscheidende Information lieferte. Es war, wie so oft, reiner Zufall, daß er den kleinen Riß in Alfred Harderbergs sauber verputzter Fassade entdeckte, genau den Schönheitsfleck, den sie brauchten. Und wäre Wallander nicht trotz seiner Müdigkeit auf den Kommentar aufmerksam geworden, den Nyberg beim Hinausgehen vor sich hin murmelte, hätten sie vielleicht eine nicht wiederkehrende Chance verpaßt.
Es war am Mittwoch gegen Mitternacht. Wallander saß über eine weitere Übersicht gebeugt, die Ann-Britt Höglund über die irdischen Güter des Alfred Harderberg erstellt hatte, da hämmerte Nyberg gegen die Tür. Nyberg war nicht gerade ein unauffälliger Mann; wenn er sich durch das Haus bewegte, war es normalerweise deutlich zu hören. An diesem Abend konnte er den vorläufigen Bericht des kriminaltechnischen Labors und seine eigenen Resultate in bezug auf die Mine in Frau Dunérs Garten und den Sprengstoffanschlag auf Wallanders Wagen präsentieren.
»Ich nehme an, du willst die Ergebnisse möglichst schnell erfahren«, brummte er, als er sich auf den Besucherstuhl hatte fallen lassen.
»Was hast du herausgefunden?« hatte Wallander neugierig gefragt und Nyberg aus geröteten Augen angesehen.
»Nichts«, kam die verblüffende Antwort.
»Nichts?«
»Du hörst doch, was ich sage«, meinte Nyberg verärgert. »Auch das ist ein Ergebnis. Es läßt sich nicht feststellen, wo die Mine hergestellt wurde. Aus unserer Sicht käme ein belgisches Unternehmen namens Poudres Réunie de Belgique in Frage, wie immer es sich ausspricht. Das Sprengmittel deutet darauf hin. Außerdem haben wir keine Splitter gefunden. Die Mine hat also nur nach oben hin gewirkt. Das deutet auf den belgischen Produzenten. Es kann aber auch jeder andere gewesen |219| sein. Was deinen Wagen angeht, können wir nicht einmal sagen, ob überhaupt etwas im Tank gelegen hat. Mit anderen Worten: Wir können nichts mit Sicherheit sagen. Das Resultat lautet also: nichts.«
»Ich glaube dir ja«, sagte Wallander enttäuscht, während er in seinen Unterlagen nach
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